Aber nun kam sie: Die Stunde der Wahrheit. Während der Dezember noch eher Frühlingshafte 10 Grad im Gepäck mitführte, zog der Januar doch stark an. Begrüßt wurde ich nach dem Weihnachtsurlaub in Deutschland direkt mit Schnee. Glaubt mir, 23 Kilo Schokolade und Käse durch Schnee zu ziehen, macht keinen Spaß. Vier Rollen am Koffer zu haben, bringt dir dann nämlich leider auch rein gar nichts. Temperaturtechnisch war es da aber noch sehr human mit ungefähr -4 Grad.
Und dann ging es täglich bergab und die Lagen, die ich morgens um meinen Körper wickelte, nahmen zeitgleich zu. Im norwegischen gibt es eine Redewendung die besagt, dass es kein schlechtes Wetter nur schlechte Kleidung gibt. In der Heimat habe ich die Redewendung bereits auf Deutsch gehört, aber auf Norwegisch reimt es sich sogar: Det finnes ikke dårlig vær, bare dårlige klær!
Und ich muss zugeben, es stimmt schon. Mit genug Lagen und ner Menge Merino-Wolle lässt es sich auch bei -16 (das war mein Tiefpunkt) noch aushalten. Nur dauert es morgens einfach Stunden bis man fertig ist, um das Haus zu verlassen. Bei der Arbeit angekommen, versucht man Gesprächen mit den Kollegen erst einmal aus dem Weg zu gehen. Denn dafür hat man keine Zeit. Im Fokus steht, den Zwiebellook in Rekordzeit loszuwerden. Ansonsten wird’s ganz schnell ganz warm.
Ebenfalls unangenehm ist es, wenn man sich dann am späten Nachmittag fertig macht für die Heimreise und seine Handschuhe nicht findet. Oh oh oh! Dann ist direkt Panik angesagt.
Aber zum Glück habe ich sie immer gefunden. Ehrlicher Weise muss man sagen, dass es zwei Paar waren bzw. sind. Dünne Strickhandschuhe mit Einsätzen an den Fingern zum Bedienen des Handys und darüber noch einmal dickerer Handschuhe. Die dünneren Handschuhe ermöglichen es, dass man mich auch draußen telefonisch erreichen kann. Denn ein Anruf oder eine Nachricht ist für mich kein Grund bei -16 Grad meine zarten Prinzessinnenfinger aus den warmen Handschuhen zu befreien.
Zu den zwei paar Handschuhen gesellte sich dann zusätzlich immer noch ein großer Schal, der auch als Decke durchgehen könnte. Dieser wird bis über die Nase gezogen, nachdem er mehrfach um den zarten Prinzessinnenhals gewickelt wurde. Gäbe es durchsichtige Schals – ja ich würde sie mir über die Augen ziehen. Dann wäre endlich alles bedeckt.
Vollendet wird dies dann mit Pudelmütze und Kapuze darüber. Die Kapuze über der Mütze machen für mich gefühlt 10 Grad Temperaturunterschied aus. Miiiiiindestens!
In der Jackentasche befindet sich dann immer eine kleine Packung Handcreme. Nach gut 4 Wochen Schnee und Temperaturen zwischen -16 und -8 Grad, hatte ich häufig das verlangen, meinen ganzen Körper in einen Bottich voll Creme zu legen. Gefühlt konnte ich gar nicht gegen die Kälte ancremen.
Ungünstig ist es aber, wenn man seine komplette Montur für -16 Grad anzieht und dann auf dem Weg zur Arbeit feststellt, dass es ja nur -8 Grad sind. Meine Arbeitskollegen fanden es jedenfalls sehr amüsant, als German Slowmotion Girl fluchend schnurstracks zur Toilette eilte, um sich das Merinoschaf vom Körper zu schälen.
An Tagen, wo die Temperatur plötzlich „so stark“ stieg, musste ich immer leicht schmunzeln, wenn man Gespräche mit Kollegen darüber hatte, wie warm es doch draußen ist – während das Thermometer Minusgrade anzeigte. Aber man härtet wirklich irgendwann ab und empfindet alles kurz unter Null irgendwie als warm. In Gedanken sehe ich mich bereits im April bei 10 Grad im Fjord schwimmen.
Aber so lange so kalte Temperaturen zu haben, empfand ich schon als anstrengend und der Winter ist ja noch nicht vorbei – er macht gerade nur eine kleine Pause für die kleine Prinzessin (Sommerliche vier Grad plus sind es). Aber ich muss auch zugeben, dass der Schnee und die Kälte Vorteile haben.
Nicht nur, dass alles unter der Schneedecke einfach bezaubernd aussieht und ich die Menschen in der Bahn mit Skiern in der Hand (und teilweise in der Stadt unter den Füßen) herrlich finde. Nein, man hat auch nicht das Problem, dass es überall so glatt ist. So wie es häufig der Fall ist, wenn es ständig zwischen -3 und +3 Grad schwankt. Auf Schnee läuft es sich da doch besser.
Apropos Schnee: Im Norwegischen gibt es übrigens Unmengen von Wörtern für die unterschiedlichsten Formen von Schnee. Für alle Nuancen zwischen weißer Pulverschnee zu brauner Matschepampe.
Da ich nun aber ab 08.00 in die Tasten haue, um um 16.00 Uhr wieder gehen zu können (Spinning und Yoga beginnen ja bereits um 16.30), blieb mir leider nichts anderes übrig als vollkommen vermummt in der Dunkelheit gen Büro zu stiefeln. Schön ist anders.
Ich fand den Januar per se immer hart – auch in Deutschland. Nach Weihnachten bin ich einfach bereit für Sommer. Ich brauche dann keinen Schnee mehr und schon gar nicht die Dunkelheit. Warum gibt man auch allen Jahreszeiten gleich viel Zeit im Jahr?
Die Norweger sehen das anscheinend etwas pragmatischer. Viele Langlaufstrecken sind mit Lampen ausgestattet oder der Norweger bringt einfach seine eigene mit. In der Dunkelheit Langlaufen zugehen bzw. unter künstlichem Licht – das ist nicht wirklich meins. Wobei Langlaufen auch unter der Sonne ebenfalls nicht wirklich meins ist.
Ich sehne mich, wenn es kalt und dunkel ist, eher Richtung Sofa und bewundere von dort die Sonnenaufgang und -untergangstabelle online und weiß, dass in wenigen Wochen die Sonne wieder viele, viele Überstunden machen und mich durchs Dachflächenfenster direkt im Gesicht kitzeln wird. Dieses Mal beschwere ich mich nicht – Versprochen!