Der kleine König von Norwegen hat definitiv deutsche Gene, wodurch Pünktlichkeit groß geschrieben wird. Exakt am errechneten Termin erschien er auf der Bildfläche. Wie es sich für einen König gehört mit viel Tammtamm und Trommelwirbel zuvor. Wer wünscht sich nicht tagelang Wehen zu haben???
Wie schon die Schwangerschaft wurden auch die ersten Geburtszeichen sehr entspannt gesehen. Unsere gefühlte Standleitung zum Krankenhaus war keine so große Hilfe. Immer wieder wurden wir vertröstet, dass wir noch nicht kommen könnten. Selbst nach dem Platzen der Fruchtblase sollte ich bitte noch acht Stunden warten und erst dann ins Krankenhaus kommen. Sechs Stunden später war dann aber nicht nur meine Fruchtblase sondern auch mein Kragen geplatzt und wir fuhren los.
Die erste Untersuchung wurde von einer Trainings Hebamme durchgeführt – sie war wie ich ikke norsk dafür griechisch. Und meine erste Horrorvorstellung erfüllte sich leider direkt: Ihr Englisch war nicht gut!!! Ihr Norwegisch leider auch nicht.
Zwischen Wehe 389283921839201 und 389283921839202 hielt ich es nicht mehr aus, Englisch in Zeitlupe zu sprechen und begann auf Norwegisch mit ihr zu reden. In unserem Wehen-Smalltalk konnte ich dann feststellen, dass ihr Niveau geringer war als meins. Ich musste wirklich an mich halten, um weiter freundlich zu bleiben.
Gott sei Dank wurde von ihr aber nur die Erstuntersuchung durchgeführt. Dennoch finde ich, dass Norwegisch sprechen unter Wehen gleich zu setzen sein sollte mit dem Bestehen des Bergen-Tests. Könnte ich vielleicht in meinen Lebenslauf unter Sprachkenntnisse aufnehmen. Deutsch: Muttersprache, Englisch: fließend, Norwegisch: auch unter Wehen möglich.
Ich springe nun einmal unendlich viele Wehen weiter und schwupps ist der kleine König auf der Welt. Ab da ging der Spass ja erst richtig los.
Es gibt ein paar wichtige Dinge, die man über das Thema Baby in Norwegen wissen sollte. Aber bevor ich anfange: Es ist mein erstes Kind und ich habe keinerlei persönlichen Vergleich zu Deutschland
Norwegen ist kalt, teuer und dunkel
Das Thema hatten wir ja bereits schon einmal (EINMAL? Unendliche Male). Kalt, teuer, dunkel waren die häufigsten Bemerkungen, die ich zu hören bekommen habe bei unserem Umzug nach Oslo. Nun kann ich aber sagen, dass diese Aussagen nicht ganz zutreffen. Dunkel… ja… so war es leider auch diesen Winter. Kalt, naja… einen richtigen Winter kann man das dieses Jahr nicht nennen, worüber ich aber nicht traurig war. Aaaaaber das Thema teuer. Ich bitte um einen Trommelwirbel, denn – man glaubt es nicht – aber Windeln sind WEITAUS günstiger in Norwegen. Etwas perplex stand ich vorm Windelregal in Deutschland bei meinem ersten Heimatbesuch. Da sollte unsere Windelmarke hier doch glatt fast das doppelte kosten.
Fürs nächste Mal, weiss ich Bescheid. Dann kommen die Windeln aus Norwegen mit nach Deutschland und auf dem Rückflug habe ich Platz für Käse und Schokolade. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Stillen oder nicht stillen… das ist KEINE Frage!
Solltest du in der Öffentlichkeit zugeben, dass du nicht stillst oder auch nicht stillen willst, könntest du auch sagen, dass du in deiner Freizeit am liebsten kleine Katzenbabys tötest. Das ist quasi ebenso hoch angesehen. Gott sei Danke stille ich und wurde damit nicht zum sozialen Außenseiter. Ich laufe ja bereits kein Ski, was ebenfalls einer Todsünde gleichkommt.
Aber dennoch war ich überrascht, als mich die «Breastfeeding Front» im Krankenhaus nach der Geburt hart traf. Nie hatte ich formuliert, dass ich nicht stillen will, weswegen es mich umso mehr verwundertet, wie häufig die “Breast is best” Fahnen geschwungen wurden.
Auch als ich unsere Nachbarin das erste Mal mit Baby auf dem Flur traf, war ich zunächst sprachlos, dass ihre zweite Frage direkt war, ob ich stillen würde oder nicht. Wo waren die Nachbarn, die noch nicht einmal grüßten, wenn man sie brauchte??
Kein Dr. Stephan Frank für Kassenpatientinnen…
Was ich über das norwegische Gesundheitssystem bisher gesagt habe, muss ich übrigens zurücknehmen. Das System ist wirklich toll…. für mich… denn ich bin über meinen Arbeitgeber privat versichert. Das hatte ich bis vor der Geburt kaum in Anspruch genommen, aber nun umso mehr.
Plötzlich stehen Dir alle Tore offen. Mit Kusshand wird man in kürzester Zeit in jeder Privatklinik genommen. Als normaler Patient wartet man sonst gerne mehrere Wochen auf Termine beim Spezialisten. Und so kam ich dann auch in den unglaublichen Genuss endlich einmal eine Gynäkologin treffen zu dürfen.
Der Check Up sechs Wochen nach der Geburt wird, ihr könnt es euch wahrscheinlich denken, eigentlich vom Hausarzt gemacht. Aus Erzählungen anderer konnte ich erfahren, dass das Wort Check Up teilweise etwas übertrieben ist.
Smalltalk trifft es wohl eher. Da fragt der Arzt in ein paar Fällen, wie es einem geht und sofern man sich nicht beschwert, darf man wenige Minuten später wieder gehen. Abstrich, Ultraschall… ach… das ist für Anfänger. So eine Nachuntersuchung geht auch so ganz ohne Berührung bei den Wikingern.
Aber wie gesagt, dass Thema Geburt und Schwangerschaft wird hier in Norwegen sehr natürlich gesehen, wo wir direkt bei nächsten Thema sind.
Hart wie Stahl
Rückbildung nach der Geburt. Man ist da als Ausländer in Norwegen auch wirklich im Nachteil. Denn anscheinend sind die norwegischen Frauen mit einem Beckenboden aus Stahl gesegnet, der sich nur für die Geburt kurz öffnet. Rückbildungskurse gibt es nicht. Nada! Ingeting! Nix! Nothing! Nicht privat und nicht über die Kasse.
Das einzige Angebot sind Yogakurse, wo das Thema leicht mit angeschnitten wird. Aber das wars. Ansonsten beginnen die Frauen ihr normales Training sechs Wochen nach der Geburt.
Neben den Absatzzahlen von Blondiermittel sowie Selbstbräunungscreme bzw. Spraytan, hätte ich gerne auch einmal Einsicht in die Verkaufszahlen von Tena in Norwegen.
Immer diese Flüchtlinge…
Als Ausländer darf man sich dann aber auch noch mit anderen Themen kurz nach der Geburt beschäftigen. Mit einem Reisepass-losem Baby ist man quasi erst einmal gefangen in Norwegen.
Deswegen war der erste Schritt nach nur 3 Wochen der Reisepass und das biometrische Foto dazu. Leider gibt es für Babys die gleichen Vorgaben wie für Erwachsene, durch die wir kurzzeitig echt ein paar graue Haare bekommen haben. (Wir haben uns übrigens zunächst nur für den deutschen Pass entschieden, da hier die Wartezeit quasi nur wenige Minuten beträgt. Wogegen die Engländer mehrere Wochen brauchen. Mal davon abgesehen, dass der deutsche Pass nach Brexit wahrscheinlich zunächst mehr Vorteile hat. Keine Sorge… Wir – deine kleine EU Familie – warten auf dich direkt hinter der Reisepasskontrolle, Papa!)
Mit unglaublich vielen Unterlagen (sogar einer Meldebescheinigung vom kleinen König – japp… schon ungewöhnlich, dass ein drei Wochen altes Baby in der gleichen Adresse wie seine Eltern gemeldet ist) mussten wir alle gemeinsam in der Botschaft vorstellig werden, um den Reisepass aka das Ticket zur Freiheit abzuholen.
Positiv überrascht war ich, dass man auch in Norwegen nicht auf den deutschen Amt-Charme verzichten muss. In der schönen Villa im Herzen von Oslo fühlt man sich beim Eintreten direkt wie in jedem beliebigen deutschen Amt. Als man uns kurz warten ließ, rätselten wir, ob die Möbel wohl aus Deutschland überführt wurden oder wir uns in der deutschen Behörden Matrix befinden.
Nur weitaus freundlicher und hilfsbereiter sind sie in der deutschen Botschaft als in jedem Einwohnermeldeamt in good old Germany. Sodass wir auch noch sehr spontan einen Termin bekommen haben, obwohl eigentlich alles ausgebucht war.
Stolz wie Oskar, dass ich mich im Wochenbett durch den ganzen Papierkram gewühlt habe, dachte ich, jetzt weiss ich alles. Aber nein, zu früh gefreut.
Nach nun mehr als 4 Monaten nach Geburt, habe ich durch einen Zufall erfahren, dass der Papierkram noch nicht vorbei ist und wir den König noch offiziell bei der norwegischen Ausländerbehörde melden müssen.
Trotz norwegischer Personennummer, Meldebescheinigung, Geburtsurkunde und Krankenversicherung ist der kleine Mann wohl gerade noch ein illegaler Immigrant.
Und da soll sich noch einmal jemand beschweren, dass Deutschland zu bürokratisch ist bzw. das Erfassungssystem der Flüchtlinge nicht funktioniert.
Wobei streng genommen, sollte der König im Moment noch ein Touristen Visum haben. Aber wer weiss. Die Mühlen der Behörden sind undurchschaubar. Wahrscheinlich wird er zeitnah als Windelflüchtling offiziell gesucht. Nur gekommen, um von den billigen Windelpreisen zu profitieren! Und das sind meist die schlimmsten!