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Auf der Suche nach Mr. Right Job oder "I carried a washing machine"

21/7/2015

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Vor ein paar Wochen war es soweit: Ich bin noch einmal in das Land des günstigen Alkohols und der großen Schoko- und Käseregale geflogen. Vier Tage Hamburg inklusive 38 Grad und Sturmwarnung. Die Zeit wurde natürlich genutzt und dm und Edeka haben einen rasanten Umsatzanstieg feststellen können. So flog ich mit knapp 12 Kilo nach Hamburg und kam mit stolzen 22 Kilo wieder zurück. Ich rollte freudestrahlend mit dem Koffer am Zoll vorbei, denn ich wusste ja, dass ich „nur“ drei Kilo Käse im Gepäck habe und erlaubt sind zehn. Außerdem hatte ich den Alkohol bereits in Deutschland gekauft und musste mich nicht zwischen die anderen Norweger in die Duty Free Schlange stellen.
(Anmerkung: Ich hielt dies ja zunächst für ein Gerücht. Aber nach der Landungen strömen wirklich alle direkt gen günstigen Alkohol, wo man in den letzten Jahren in Sachen Mitarbeiter stark aufgestockt hat. Dadurch wird es dann doch ein zügiger Einkauf. Nur als kleine Vorwarnung für alle Besucher, die von uns den Auftrag bekommen, etwas aus dem Duty Free Shop mitzubringen und geschockt sind, wenn sie die Schlange sehen).

Zurück in Deutschland wurde eine Fragen immer wieder gestellt: Was macht die Jobsuche? Neben dem Erlernen der Sprache war dies definitiv eine der wichtigsten aber auch intensivsten Erfahrungen hier. Bevor ich weggezogen bin, habe ich häufiger zu hören bekommen, dass deutschsprachige Leute stark gefragt sind in Norwegen. Deutschland ist ein wichtiger Handelspartner und Deutsch ist neben Englisch die meistgesprochene Sprache in Europa. Die letzten beiden Aussagen kann ich auch bestätigen. Woher das Gerücht kommt, dass Deutschsprachige gebraucht werden, verstehe ich aber immer noch nicht. Da ich berufstechnisch recht offen und auch einem Wechsel in einen anderen Bereich nicht abgeneigt war, habe ich irgendwann spät abends – als ich wie immer bei Sonnenschein ohne künstliches Licht  im Wohnzimmer saß – aus Jux und Tollerei einfach mal die Suchworte „tysk“ und „German“ im Jobportal des norwegischen Arbeitsamtes eingegeben. Glaubt man diesem besagten Gerücht, braucht man wahrscheinlich eeeeeeeewig, um durch die Fülle der Angebote zu kommen. Aber stattdessen erschienen genau vier popelige Anzeigen. Die ersten drei waren von Schulen, die einen Deutschlehrer suchen. Macht Sinn, dass man dafür Deutsch können sollte. Das lasse ich gelten. Die vierte Anzeige war für mich auch wenig hilfreich, warf mich vor Lachen aber fast von der Couch. Es ging um einen Reiseanbieter, der speziell für das Beschwerdemanagement jemanden mit guten Deutschkenntnissen suchte. Ich schwöre auf meine drei Kilo importierten Käse, dass dies kein Scherz ist.

Ich entschied mich dann, keine Bewerbung auf diese Stellenanzeige zu schicken. Dafür schrieb ich aber wahnsinnig viele andere „søknader“. Und einen großen Unterschied zwischen Norwegen und Deutschland gibt es: Initiativbewerbungen machen hier wirklich Sinn. Während ich in Deutschland immer dachte, dass dies Bewerbungen sind, die zu 90% eh im Müll landen, machte ich hier andere Erfahrungen. Vier von fünf Vorstellungsgesprächen resultierten bei mir aus Initiativbewerbungen.  Das Feedback mit der Einladung bekam ich meist schon in weniger als 4-5 Stunden. Meine Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen dümpelten dafür aber vor sich hin ohne wirkliches Feedback.

Neu war für mich auch, dass die meisten Stellenanzeigen hier in Norwegen mit einer Bewerbungsfrist versehen sind und der Jobmarkt ist anscheinend wirklich schnell. Vorrausschauend für die Zukunft planen ist hier irgendwie nicht angesagt. Die Bewerbungsfristen sind auch bitte streng einzuhalten. Ansonsten gibt’s Saures. Ich habe es doch glatt gewagt, mich zwei Tage zu spät zu bewerben. Ich hielt die Frist aber auch einfach für einen schlechten Witz, denn man hatte genau einen Tag Zeit. Und auch hier schwöre ich auf die drei Kilo Käse, dass ich mir das nicht ausdenke. Statt einer Einladung gab es dann eine unfreundliche Email zurück, dass die Deadline ja schon laaaaaange vorbei sei und sie Mitten im Bewerbungsprozess sind. Was erlaube ich mir auch.

Was in Norwegen recht einfach ist hinsichtlich der Jobsuche, sind die Quellen. Hier sucht man (gebrauchte) Möbel, Autos,  Bücher, Wohnungen, Häuser und neue Jobs auf finn.no. Kein Weg führt an dieser Seite vorbei. Quasi das Pendant zu Ebay, Stepstone und Immoscout. Aber Überraschungsei-mäßig gibt’s diese drei Wünsche auf einmal vereint. Häufig kann man sich auch direkt mit seinem Linkedin Profil bewerben, was die Sache stark beschleunigt. Vielleicht braucht man deswegen nur einen Tag als Bewerbungsfrist. Höchstwahrscheinlich muss man demnächst tinder-mäßig auch nur nach links oder rechts swipen. Dann hat man aber auch nur 30 Sekunden Bewerbungszeit.
Glücklich gestimmt hat mich aber die Tatsache, dass mein Norwegisch nun auf einem Level ist, sodass ich Jobangebote ohne meinen guten Freund Google Translater lesen kann. Es geht also voran und Asterix und Obelix räumen langsam zusammen mit Google das Feld.

Bei den Vorstellungsgesprächen selber war alles mit dabei. Grundsätzlich verliefen die Gespräche auf Englisch – ich führte sie ja nicht mit kleinen Kindern, dann wäre Norwegisch okay gewesen. Die englische Sprache war aber dann auch bereits die einzige Gemeinsamkeit. Jedes Gespräch verlief anders und war irgendwie bizarr auf seine Weise. Da gab es den „formlosen Kaffee“ der sich dann doch als Interview mit drei anderen Leuten im Konfi entpuppte. Am Ende musste ich kurz rausgehen, da man sich beraten wollte. Als ich wieder reinkommen durfte, wurde mir eine Pro und Kontra Liste vorgelegt: Was spricht für mich und was spricht gegen mich. Eigentlich hatte ich ja auf ein Foto von Heidi gehofft. Aber dass bei Kontra nur „snakker ikke norsk“ stand, versöhnte mich dann wieder.  Es hatte also keiner gemerkt, dass ich nie in Paris gelaufen bin. Man versprach mir dann ein weiteres Gespräch, aber man meldete sich dann doch nie wieder. Erinnert irgendwie an Dating. Vielleicht ist die Jobsuche hier doch sehr nahe an dem Tinder-Prinzip angelegt. Und es würde erklären, warum Deutsche doch nicht so gefragt sind.

In anderen Gesprächen durfte ich ganze Präsentationen zum Thema Media vortanzen oder musste mich zwei Stunden lang von vorne bis hinten analysieren lassen bzw. zu Hause Tests zu meiner Persönlichkeit ausfüllen. Quizfrage für euch: Zieht ihr euch in der gleichen Reihenfolge wieder aus, wie ihr euch angezogen habt? Diese Frage beschäftigt mich ja noch immer und war wirklich Bestandteil des Fragebogens.
Ein Interview hätte ich beinahe abgebrochen. Das erste und einzige Vorstellungsgespräch jemals, wo ich mittendrin auf meine Uhr geschaut habe, um zu wissen, wie lange ich das wohl noch aushalten muss. Ob man – wie bei schlechten Dates – wohl auch einen Freund mit einem ausgedachten dringenden Notfall anrufen lassen kann?

Ein anderes Ereignis im ersten Gespräch - was für Norweger wohl totale Normalheit ist -  war, als mein Gegenüber sich plötzlich Kautabak zwischen Lippen und Zähne aufs Zahnfleisch schob. Ich war gerade mitten in der Erläuterung meines bisherigen Werdegangs und wurde komplett aus dem Konzept gebracht, als die Finger in die Mundhöhle glitten. Wäre ich Raucher, hätte ich testweise ne Fluppe angezündet. In Norwegen ist Kautabak an der Tagesordnung und auch kein Altherrending. So kommt es auch schon hin und wieder vor, dass deinem Gegenüber einbisschen bräunliche Spucke aus dem Mundwinkel hängt. Das war in meinem Gespräch zwar nicht der Fall, aber ich war ja eh auch schon raus aus meinem Konzept. Das Ausspucken des Tabaks geschah dann aber - Gott sei Dank - als ich schon weg war.


Der Vogel wurde aber in dem besagten zwei Stunden Mammut-Gespräch abgeschossen. Ich hatte es irgendwo im Hinterkopf vergraben. Dachte, dass mich so etwas nie treffen würde. Aber dann kam es doch. Die Frage, die eine 30jährige Frau einfach nicht vom potenziellen Chef in spe hören möchte. „Und, planen Sie zeitnah Kinder zu haben?“ Es wurde direkt hinzugefügt: „Eigentlich dürfen wir das in Norwegen nicht fragen.“ Also blieb ich stumm wie ein Fisch dort sitzen und starrte sie aus großen blauen Augen an. In meiner Welt machte das Sinn: Sie dürfen es nicht fragen, also antworte ich nicht. Ich hielt es in dem Moment wirklich für eine rhetorische Frage. Aber dann hakte sie noch einmal nach: „Wollen Sie denn? Wir können das hier nämlich wirklich nicht gebrauchen.“ Langsam bekam ich durchaus das Gefühl, die Jobsuche ist doch eigentlich wie ein großer Dating-Zirkus und die Frauen haben es einfach etwas schwerer. Die Konkurrenz ist groß, die brauchbare Auswahl überschaubar und am Ende wird man gegen eine jüngere eingetauscht. Mich brachte die Frage in dem Moment eigentlich nicht wirklich aus dem Konzept, aber sie traf mich dann doch ein paar Tage später mit voller Wucht und unberuhigte mich etwas für weitere Dates… ähh… Vorstellungsgespräche. Ich dachte, man sei hier so Kinderfreundlich? Verbuchen wir dies mal als ein schwarzes Schaf unter vielen Kinderfreundlichen Schafen und hoffen, dass ich als Akademikerin mit Berufs- und Auslandserfahrung gesehen werde und nicht als potentielle Mutter von fünf Kindern bzw. fünf Jahren Elternzeit. Also bitte nach rechts swipen und nicht nach links.

Aber als absolut positiv empfand ich, was ich bisher von den Arbeitsbedingungen mitbekommen habe. Flexible Arbeitszeiten und -orte. Ausgestattet mit Laptop und Handy – egal auf welcher Ebene du bist, wird es dir ermöglicht, von überall zu arbeiten - natürlich weniger als 40 Stunden die Woche. Die Internetverbindung zu Hause wird (überwiegend) von deinem Arbeitgeber bezahlt. Eine Familie zu gründen, wird einem so dann doch einfacher gemacht als bei der stoischen Denkweise, dass man von 9 bis 18 Uhr die Zahlen am Bürocomputer rumschubsen muss. Auch das Thema Gesundheit hat einen hohen Stellenwert. So wird die Mitgliedschaft im Fitness Studio häufig bezuschusst oder komplett übernommen. Ist ja auch wichtig, dass man sich während der Beziehung in Form hält.

Aber zurück zum Bewerbungsprozess, also bevor man Internet und Muckibude bezahlt bekommt. Auch wenn ich recht schnell zu vielen Gesprächen eingeladen wurde, empfand ich den Bewerbungsprozess als zäh und „nur“ mit der englischen Sprache im Hintergrund nicht unbedingt zu einfach. Nach dem ersten Gespräch war meist endloses Warten angesagt. Das Motto der Norweger hier ist "Ta det med ro". Was quasi die norwegische Dschungelbuchvariante von "Probiers mal mit Gemütlichkeit" ist.
Wenig ermutigend war hier mein Norwegischbuch. Pablo, Monica und Paul (ich hatte sie ja bereits vorgestellt) haben auch arge Probleme einen Job zu finden. Im letzten Kapitel war Pablo aber endlich erfolgreich und hat über einen Bekannten einen Job gefunden. Er liefert nun Waschmaschinen aus und trägt sie in die Wohnungen der neuen Besitzer. Ich weiß nicht, ob den Autoren des Buches bei der Geschichte die Drogen ausgegangen sind, aber motivierend nenne ich anders. Um bei Disney Liedern zu bleiben: Hakuna Matata fällt einem in solchen Momenten dann doch schwer. In Gedanken sah ich mich schon mit einem dreifachen Bandscheibenvorfall Elektrogeräte in den fünften Stock hochtragen. Ob ich wohl stattdessen Gemüse und Obst ausliefern könnte? Das Tragen von
Wassermelonen scheint mir erfolgsversprechender. (Oh, oh... das verstehen wohl nur die Frauen)

Doch habe ich aber ja auch bereits gelernt, dass manchmal auf das Kind gewartet wird. Und so klingelte bei herrlichem Sonnenschein an einem Mittwochnachmittag, als ich im Garten Norwegisch lernte, mein Handy. Verwundert starrte ich es an, denn es klingelt nicht oft. Die neue norwegische Nummer ist noch sehr jungfräulich und erwartet definitiv zeitnah keine Kinder. Ich nahm ab und eine Frau am anderen Ende der Leitung erklärte mir, dass es um meine Initiativbewerbung ginge. Diese war eigentlich schon sechs Wochen alt und man hatte bereits abgesagt, da sie gerade keinen Bedarf hätten. Sie würden aber gerne auf mich zurückkommen, wenn sich etwas ändern würde. Ich hielt das damals für belangloses Bewerbungs-Blabla, um einen erwünschten Kandidaten loszuwerden, so à la: Sorry, ich bin noch nicht über meinen Ex hinweg. Es liegt wirklich nicht an dir“. Aber ich hatte Unrecht. Anscheinend funktionieren hier im Norden nicht nur Initiativbewerbungen sondern man wird auch wirklich später erneut angeschrieben. Und dieses Mal passte mein Profil wie „Rumpe“ auf Eimer. Danach ging alles sehr fix. Wie gesagt, Mc Donalds und Burger King sind SlowFood im Vergleich zum Jobmarkt hier. Ich hatte in kurzer Zeit zwei Gespräche – die aus deutscher Sichtweise normal verliefen, also keine GNTM Jury Entscheidungen oder Fragen zur Gebärwilligkeit meiner Person –  und danach direkt die Zusage. Da in Norwegen 3-4 Wochen Sommerurlaub großgeschrieben werden und gerade die halbe Stadt nicht da ist, darf ich bis Mitte August auch noch ein wenig mein „Singleleben“ genießen, bevor ich mich wieder fest binde.

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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
    Gemeinsam mit meinem Freund geht es von Hamburg noch weiter in den Norden und zwar nach Oslo. Wie es uns hierbei ergeht, werde ich auf diesen Seiten erzählen.

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