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Grand oder nicht Grand! Das ist hier die Frage!

20/7/2016

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Eigentlich war mein Plan ja, dieses Mal etwas über das Gesundheitssystem hier zu schreiben. Aber das Thema vom letzten Mal «einfach mal weniger Jammern» hängt mir noch sehr nach. Wieder zurückgekehrt ist das ganze Thema, dass die Norweger doch vieles pragmatischer und vielleicht auch ein klein wenig romantischer sehen als wir Deutschen, als ich im Urlaub war. Wo? Na klar… in Norwegen! Eine Rundreise quer durchs Land stand an mit vielen Fjorden, Bergen und Schafen. Mit dem Auto ging es durch super unterschiedliche Landschaften und obwohl es Juni war, konnte ich noch sehr viel Schnee erblicken.  

Da wir alle Nächte im Hotel verbracht haben – sorry, Camping ist nicht so meins – "durften" wir dann auch viele Restaurants auf dem Weg testen. Meine Laune sank dabei allmählich. Irgendwann konnte ich die Rechnungen einfach nicht mehr ertragen. Jede “gut schmeckende” Mahlzeit lag pro Person bei circa 20 Euro aufwärts und ich will gar nicht erst die Getränke erwähnen. Das Geld rinnt nur so durch die Hände. Insbesondere in den kleineren Orten, die wirklich nur vom Tourismus und den anlegenden Kreuzfahrtschiffen leben. Ein klein wenig bankrott kamen wir also wieder zurück.  
 
Aber ich hatte in der Zeit auch ein neues Hobby für mich entdeckt. Hotelbewertungen lesen! Während meine bessere Hälfte mich im Auto kutschierte, las ich vergnügt die Bewertungen des auf uns wartenden Hotels. Um unsere Reserven nicht allzu sehr zu verprassen, haben wir natürlich günstigere Hotels ein wenig auswärts gesucht. Aber – um hier kein falsches Bild erwecken zu wollen – auch diese Hotels waren im Vergleich zu deutschen Preisen immer noch happig.  
 
Ein Hotel ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben und hat das Hobby für mich auch vorangetrieben. Es handelt sich hierbei um das Grand Hotel – was schon wirklich lange nicht mehr Grand ist. Circa 10km vor Ankunft fing ich an, mir auf Google einmal die Bewertungen genauer anzusehen. Es war quasi ein Feuerwerk an Wutausbrüchen, Sarkasmus und Hohn. Die Hotelbesucher aus aller Welt, waren sich recht einig: Ein Besuch lohnt nicht wirklich. Der Standard des Hotels war aus dem Jahr 1980 und seitdem wurde kein Finger krumm gemacht, damit das Hotel seinem Namen Ehre machen könnte.  

Leicht verunsichert erreichten wir unser “neues zu Hause” für die nächsten zwei Tage. Ich bin mir bewusst, dass meine Einstellung bestimmt leicht gefärbt war durch die gelesenen Bewertungen. Aber so oder so wäre das Grand Hotel nicht mein Lieblingshotel geworden. Die Lage: Traumhaft schön, direkt am Fjord. Und das ist leider auch schon alles positive, was ich sagen kann. Gefühlt hatte dieses Hotel schon lange aufgegeben und ich spreche hier nicht nur von der Ausstattung. Alles war einfach schlichtweg lieblos – es tat in der Seele weh.  

Zur persönlichen Erheiterung rief ich noch einmal die Online Bewertungen auf. Die Gesamtbewertung des Hotels war aber eigentlich gar nicht schlecht. Also… wer und warum hat hier so gute Noten verteilt. Ich scrollte mich durch die Sarkasmus- und Wutmitteilungen von Italienern, Spaniern, Deutschen und anderen Nationalitäten bis ich endlich auf die positive Bewertungen stieß.  

Diese hatten alle eins gemeinsam: Sie wurden von Norwegern geschrieben. Die Benotung war meist befriedigend bis gut. Ein Norweger vergab sogar 9 von 10 Punkten.  

Es wurde immer betont, wie gut die Lage sei. Traumhaft schön direkt am Fjord. Alles andere war da wohl Nebensache. Eine Person lobte sogar das gute Frühstück. Falls dieses Person, diesen Blog Eintrag liest, bitte melde dich. Ich würde dich gerne auf ein Frühstück einladen. Denn das Grand Hotel Frühstück kann man auch mit Fjord nicht schön reden.  
Oder vielleicht doch? Muss man dafür Norweger sein, um das richtig verstehen zu können?  

Ein wenig froh war ich ja, dass die «negativen» Bewertungen nicht nur von Deutschen geschrieben wurden. Aber irgendwie haben die Norweger eine andere Sichtweise – insbesondere wenn sich Mutter Natur mit einschleicht. 

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Auszug aus den Bewertungen! Sarkasmus gegen Optimismus!
Jetzt im Juli ist bei uns im Büro wieder gähnende Leere angesagt. Ein Großteil der Kollegen sind im Urlaub. Wenn ich mir den Urlaubsplan anschaue, wird mir ein wenig schlecht. Da wird sich kreuz und quer überschnitten. Jeder will im Juli freihaben und bekommt es auch genehmigt. Dass dann die Vertretung von der Vertretung auch nicht da ist… irrelevant! Das wird alles relaxter gesehen! Ich erinnere mich noch zu gut an die Kämpfe um die Urlaubstage im Sommer in meinen alten Jobs. Schnee von gestern.  

Viele meiner Kollegen nutzen den Juli, um Zeit in ihrer Hütte zu verbringen. Während meine Kollegin mir ihre Projekte übergab (auf die deutsche Urlaubsvertretung ist natürlich verlass), fragte ich sie ein wenig über ihren geplanten Urlaub aus. Die Kurzfassung war: Eine Woche Hütte, ohne Strom, ohne fließend Wasser. Dafür mit Plumpsklo und Campingkocher – und natürlich Blick auf den Fjord. Ich starrte sie entgeistert an. Ich brauche bestimmt keine 5 Sterne Luxus Suite (nehme sie aber natürlich auch gerne an, falls eine übrig ist), aber fließend Wasser, Strom und ein Klo habe ich schon gerne. Das ist in meiner kleinen Welt einfach nicht unbedingt Urlaub so ganz ohne (und wir leben hier ja nicht bei 30 Grad am Strand). Und so entgegnete ich ihr auch nur, dass ich gerade erleichtert bin, dass ich im Büro sein darf und nicht in der Hütte sein muss.  

Das Thema kam über den Tag noch häufiger auf und immer wieder wurde ich gegenüber anderen Kollegen rezitiert. Alle fanden den strom- und wasserlosen Hüttenurlaub natürlich total “hyggelig”.  

Ich erklärte mich mit den Worten, dass ich halt keine Norwegerin sei. Ich würde auch dem Grand Hotel eine schlechte Bewertung geben. Was ich in dem Moment natürlich nicht gesagt habe, weils ja keiner verstanden hätte. Den Braten fett gemacht  hätte es wohl nicht, denn ich wurde eh als leicht verrückt angesehen. 

Besagte Kollegin war aber nicht die einzige mit der “wir leben wie vor 100 Jahren Hütte”. Ich bekam noch mehr solcher Geschichten zu hören. Meist im Zusammenhang mit “Ich bin nicht erreichbar im Urlaub, da meine Hütte keinen Strom hat”. 

Aus dem Urlaub der Kollegin bekam ich dann natürlich ein Snapchat Bild zugeschickt mit dem Ausblick von ihrer Hütte. Ein türkisfarbener wunderschöner Fjord. Landschaftlich unglaublich beeindruckend. Das Plumpsklo und kein Strom vermiesten mir aber weiterhin den Eindruck. Das kann ich irgendwie nicht ausblenden. 

Die Norweger anscheinend aber schon. Ein Hotel nur nach der Lage zu beurteilen finde ich persönlich falsch oder jedenfalls nicht ausreichend. Aber bei den Norwegern steht die Natur im Mittelpunkt. Eigentlich war es ja gar keine Hotelbewertung sondern eine Fjordbewertung.  

Aber ich glaube, hier liegt ein wenig der Fehler – auch in unserer Sichtweise. Die Deutschen haben Skandinavien zum Schlaraffenland erkoren. Angeblich ist hier alles besser. Lohn, Leben, Kinderbetreuung, etc.  

Der erste Fehler liegt hier aber bereits in der Lokalisation selber. Skandinavien? Kann ich dort hinziehen? Nein! Man kann sich entscheiden: Norwegen, Schweden, Dänemark oder Finnland. Ich kann aber nicht in Skandinavien wohnen. Würde ich gerne machen. Dann nehme ich den Lohn und die Natur aus Norwegen, die Preise und die Auswahl aus Schweden und die Cafes und Clubs aus Kopenhagen.  

So gerne wir diese Länder über einen Kamm scheren… so einfach ist das nicht! Die Länder sind sehr unterschiedlich. Aber wir Deutschen picken uns gerne die Kirschen aus jedem Land und sagen dann, in Skandinavien sei alles besser.  

Vor kurzem durfte ich im Flieger im Focus lesen, dass der Norwegische Staat so gut haushaltet mit seinem Geld aus dem Öl, wodurch noch in viele Jahren allen Norwegern eine Rente in Wohlstand gesichert ist. 

Das ist bestimmt richtig, dass der Norwegische Staat wirklich verantwortungsvoll gehandelt hat. Das Wort “Wohlstand” stieß mir aber übel auf. Was heißt das genau? Als Deutscher versteht man unter Wohlstand wahrscheinlich, dass man sich keine Sorgen ums Finanzielle machen muss, der Euro muss nicht drei Mal umgedreht werden, hin und wieder kann man auswärts essen gehen, der jährliche Urlaub gen Süden ist gesichert und wird mit dem eigenen Auto angetreten.  

Sieht so also das Retnerleben in Norwegen aus? Treffen sich die Renter im Restaurant oder in Südeuropa, um ihre Pension auf den Kopf zu hauen. Sie wissen halt nicht wohin mit all dem Wohlstand? Hmmmm…. Ich habe die irgendwie meine Bedenken.  

Nicht falsch verstehen, dem Land und den Leuten geht es gut. Aber wie in meinem letzten Blogeintrag bereits geschildert, ist die Sichtweise eine viel einfachere. Der Norweger ist anscheinend glücklich, wenn er mit einem Kvikk Lunsj am Fjord sitzen kann.  

Löhne und Gehälter sind in Norwegen höher und sehr wahrscheinlich auch die Rente. Aber es kostet auch alles um ein Vielfaches mehr. Die Kaufkraft ist also nicht unbedingt höher. Alkohol, Restaurantbesuche und Co gelten hier aber als Luxus und liegen nicht in der Natur der Norweger. Was die Norweger wirklich lieben und brauchen gibt es kostenlos direkt vor der Haustür. [Kleiner Tipp: Das liegt auch in anderen Ländern direkt vor der Tür.] 

Eine – finde ich – sehr schöne Einstellung. Man sollte sich nur solchen Sachen bewusst sein, wenn man den Lebensstandard in anderen Ländern wertet. Für die einen ist es eine Bruchbude am Wasser, für die anderen ein spektakulärer Platz am Fjord.

Ob es Grand ist oder nicht fängt nämlich in deinem Kopf an!

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Blick von unserem "Grand Zimmer".
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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
    Gemeinsam mit meinem Freund geht es von Hamburg noch weiter in den Norden und zwar nach Oslo. Wie es uns hierbei ergeht, werde ich auf diesen Seiten erzählen.

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