Letzte Woche stand unsere Weihnachtsfeier an: Julebord (Weihnachtstisch, wenn man es direkt uebersetzt) und das ist ein großes Thema in Norwegen. Angeblich sind diese Feiern recht ausufernd und immer ein großes Jahreshighlight.
Verzweifelt saß ich also vor dem Menu und wusste nicht so richtig, was ich bestellen sollte. Eine Kollegin versucht mir zu helfen, in dem sie mir Google Bilder zeigte, damit ich mir die Gerichte besser vorstellen kann.
Ich denke, sofern man Kindheitserinnerungen mit diesen Gerichten verbinden kann, empfindet man die Gerichte mit Sicherheit als leckerer. Ich habe diese Kindheitserinnerungen aber nicht und große Fleischbrocken mit einer Fettschicht oben drauf, lassen mir nicht das Wasser in Mund zusammenlaufen.
Verzweifelt fragte ich meine Kollegin, die Vegetarierin ist, was sie essen wird. Für sie wird extra etwas gekocht, was nicht auf der Speisekarte stand. Da alle wissen, dass ich keine Vegetarierin bin, wollte ich nicht für mich eine Extra-(Tofu)Wurst kochen lassen. Da hätte ich auch einfach eine Rundmail schreiben können, dass ich die traditionelle norwegische Küche nicht mag. Unter Höflichkeitsaspekten entschied ich mich dann für Augen zu und durch!
Ich entschloss mich für eine – meines Erachtens – sichere Variante: Lammrippchen. So übersetzte es jedenfalls Google Translator. Ich haette aber wohl eher nach Bildern und nicht nach der Übersetzung suchen sollen. Aber Haifa aus meinem Norwegisch Buch (falls ihr euch erinnert), eine gute Freundin vom Waschmaschinenlieferanten Pablo schmeckten die Lammrippchen auch sehr gut. Ich hatte das ja eigentlich auch auf so mancher Grillparty bereits gegessen.
Das zweite Problem – als wir rekonstruieren konnten, was ich bestellt hatte – war der Teller an sich, der vor mir platziert wurde. Ich saß vor einem Haufen Fleisch. Auf einander gestapelt lagen da einige gräuliche Lammrippen und alle meine Kollegen reagierten mit den Worten: Mensch Mareike! Das ist aber mutig. Pinnekjøtt. Aber toll, dass du es mal probierst!
Zaghaft versuchte ich zu erklären, dass ich dachte, das sei ne sichere Bank. Aber Pustekuchen. Das ist nur ne superstabile Bank aus Massivholz in Richtung Fettleibigkeit.
Es gab aber ein Gericht auf der Speisekarte, was definitiv mutiger gewesen wäre. Aber hier wusste ich Bescheid und machte einen großen Bogen drum herum. Gemeint ist der Lutefisk. Ich zitiere hier einmal Wikipedia, um die herrliche Zubereitung zu verdeutlichen:
“Lutefisk ("Laugenfisch") ist ein in einer Lauge aus Birkenasche (heute wird meist Ätznatron benutzt) gewässerter Trockenfisch, in der Regel Dorsch. Bei dieser Rehydrierung nimmt der Trockenfisch eine gelatinöse Konsistenz an. Der Fisch wird anschließend gespült und zubereitet. Serviert wird der Lutefisk mit ausgelassenem Speck, Erbsenpüree und Kartoffeln sowie reichlich Aquavit.»
Das einzige, was mir an dieser Beschreibung gefällt, ist das/der Aquavit. Die Norweger sind sich hierüber aber auch nicht einig und auf unserer Weihnachtsfeier wählte keiner den Glibberfisch.
Aber nicht nur in Sachen Lutefisk war ich vorab informiert, auch was die Kleiderordnung anging, wusste ich, dass man sich für die Weihnachtsfeier richtig aufbrezelt. Nur muss ich gestehen, dass ich das hinsichtlich unserer überschaubaren Personenanzahl im Buero nicht geglaubt habe.
An dem Tag der Weihnachtsfeier war es dann auch noch schweinekalt, sodass ich mich für etwas semi-schickes entschied. Für den Anlass sollte es reichen und kalte Füße bekomme ich ebenfalls nicht. Als ich im Buero ankam, war ich erleichtert, als ich die meisten in Jeans und Pullover antraf. Aber zu früh gefreut. Um 15 Uhr verschwanden plötzlich alle in Richtung Toilette mit Kleidungsstücken an Kleiderbügeln mit Schutzfolie. Mir schwante böses.
Und wenige Minuten später fühlte ich mich eher als sei ich auf einer Hochzeit eingeladen oder mit dem DeLorean zurück zu meinem Abi-Ball gefahren. Aber nun gut! Versuchte ich es positiv zu sehen. Ich friere jedenfalls nicht und kann auch locker Dinge vom Boden aufheben.
Bevor ich Bekanntschaft mit meinem Fleischteller machen konnte, gab es noch ein Quiz. Wir wurden in Gruppen aufgeteilt und mussten gegeneinander antreten. Mich in der Gruppe zu haben ist ein ähnlicher Vorteil wie eine Metallkugel am Bein beim 100m Brustschwimmen. Ich war froh, wenn ich die Fragen verstehen konnte. Aber meist konnte ich nicht viel dazu beitragen, wenn es um norwegische Filme und Gewohnheiten ging. Gelernt habe ich aber, dass "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" auch in Norwegen ein Hit ist/war. Nur mit dem Unterschied, dass der ganze Film von einem Mann synchronisiert wurde.
Bei der Preisverleihung war ich zutiefst erleichtert, dass wir «nur» den zweiten Platz erreicht hatten. Ansonsten wäre Holland… aeeh Norwegen in Not. Aber so musste keiner das Spielbrett vom Tisch fegen und weinend auf sein Zimmer laufen. Besagter «schmuggelnder» Arbeitskollege und ich lachten uns heimlich ins Fäustchen und ich verzichtete auf ein wenig Öl im Feuer in Form von der Erwähnung, dass die Frage nicht soooo schwer war für alle.
Aber ich konnte mit zunehmenden Alkoholeinfluss auch andere Eigenschaften beobachten. Während des Abends scharwenzelte besagter Kollege, der wahnsinnig unfaire Fragen stellt, immer wieder um mich herum, sobald mein Schwimmflügelchen schlapp gemacht hatten und ich der Unterhaltung nicht mehr folgen konnte und apathisch in die Luft starrte. Sofort warf er mir wieder einen kleinen Rettungsring zu in Form von Getränken oder Gesprächen auf Englisch. Je später der Abend umso mehr versuchte er auch ein bisschen Deutsch reinzumischen.
Ich versuchte mich in Sachen Getränken ein wenig zurück zu halten. Bisher konnte ich nicht feststellen, dass das meinem Norwegisch wirklich hilft. Die Weihnachtsfeier war für mich aber auch wieder wie Norkskurs und lernte direkt wieder neue tolle Worte wie “mett”, was satt bedeutet. Das kann ich mir super merken. Mett würde mich auch sofort satt machen. Ideale Grundlage meine Kollegen in die Welt der Mett-Igel einzuführen und was man sonst noch aus Mett formen kann (Und nein… die Domian Story habe ich weggelassen).
Zu ganz später Stunde mit sehr viel Alkoholeinfluss lockerte sich die Zunge dann noch mehr und speziell beim schmuggelten Arbeitskollegen, und leicht lallend berichtete er über sein Ziel des heutigen Abends. Er wollte versuchen, dass ich mich den Abend über auf Grund der sprachlichen Barriere (whaaaat? Meine Schwimmflügel sind doch eins a) nicht ausgeschlossen fühle.
Nun dämmerte es mir, warum er immer wieder neben mir stand, wenn ich meinem Kopfkino anstatt dem Gespräch lauscht. Ihm sei das sehr wichtig, denn “you are my favorite German!”. Ich fand das so niedlich, dass ich den Moment nicht zerstören wollte mit einer Analyse "made in Germany", wie viele Deutsche er denn kennen würde.
Ich akzeptierte also die Entscheidung der Jury und nahm den Oskar für die beste deutsche Hauptrolle 2015 freudig entgegen.