Um hier keinen Mammut Beitrag zu schreiben, werde ich das Thema einfach stückeln. Kleine mundgerechte Häppchen. Und der erste Happen hat auch direkt mit dem Mund zu tun. Die Sprache.
Meine tägliche Arbeit findet auf Englisch statt, sprich die Kommunikation mit dem Kunden und anderen Agenturen. Dennoch kann ich mein bisher gelerntes Norwegisch sehr oft im Büroalltag auf die Probe stellen. Alle um mich herum sind Norweger und sprechen logsicher Weise Norwegisch miteinander. Team Meetings werden ebenfalls auf Norwegisch abgehalten. Das kann man sich dann aus meiner Sicht ungefähr so vorstellen:
Ich habe einen sechs Wochen intensiv Crashkurs hinter mich gebracht und danach zu Hause selber weitergelernt, sodass ich ungefähr auf einem A2/B1 Level bin. Das Level war bisher aber eher theoretisch. In der Grammatik bin ich – würde ich behaupten – recht stark, wenn ich Lückentexte ausfüllen muss oder Texte schreibe, aber fehlte mir bisher die Praxis. Wie auch? In einem deutsch-englischen Haushalt wird das meiste norwegisch nur in das Handy zum Übersetzen eingetippt.
Mein Norwegisch Level ist im täglichen Gebrauch also mit Schwimmflügeln bei einem Nichtschwimmer vergleichbar. In seichten Gewässern ist es sehr hilfreich. Nur wenn man dann in so einem Team Meeting sitzt und für volle 60 Minuten nur norwegisch hört, bin ich mir nicht sicher, ob meine Schwimmflügelchen ein kleines Loch haben und nach und nach die Luft raus geht oder jedes Mal eine Sturmflut aufkommt. Irgendwann strampelt man einfach nur noch um sein Leben und versucht nicht zu viel Wasser zu schlucken, damit es immer noch für ein Lächeln reicht, als würde man alles verstehen. Wie habe ich früher Protokolle von Team Meetings gehasst. Nun kann ich es kaum abwarten, bis das Protokoll rumgeschickt wird und ich es einmal durch den Online Translater laufen lassen und überprüfen kann, wie viel ich wirklich verstanden habe und ab wann mein Kopf nur noch unter Wasser war.
Hätten Menschen doch Untertitel. Dann wäre alles so viel einfacher. So kann ich norwegische Filme mit Untertiteln bereits sehr gut verstehen. Aber sagen wir mal so: Die Aussprache ist zum geschriebenen Wort doch sehr unterschiedlich und dazu gesellen sich dann noch Dialekte, Genuschel und eine recht flotte Sprachgeschwindigkeit, was es einfach schwer macht, die Sprache zu verstehen. Naiver Weise habe ich vor meinem Umzug auch gedacht, dass Norwegisch als Germanische Sprache ähnlich monoton ist wie Deutsch. Aber weit gefehlt. Die Sprache hat wirklich die seltsamste Sing-Sang Melodie verbunden mit sehr vielen Buchstaben, die einfach nicht ausgesprochen werden, obwohl sie sich im Wort befinden.
In den ersten zwei Wochen habe ich mich innerlich noch gesträubt, norwegisch zu sprechen, da mein erster Eindruck bei den neuen Kollegen nicht nach einem fünf Jahre alten Kind klingen sollte. Aber irgendwann ist das ewige „Nicht-Verstehen“ wirklich anstrengend und man merkt selber, dass sich schnell etwas ändern muss. Abends (also das norwegische abends um 16.30/17 Uhr) wieder die Schulbank zu drücken, wollte ich aber erst einmal nicht wieder.
Aber wofür hat man denn so viele norwegische Kollegen und dann auch noch das große Glück, dass eine davon gerade nebenbei ihr Lehramtsstudium beendet hat. Getarnt als Training für beide wurde dann zwei Mal die Woche für je 30 Minuten ein Termin eingestellt, in dem ich norwegisch sprechen muss und hinterher fasse ich das zu Hause schriftlich zusammen. Und glaubt mir, im ersten Termin dachte ich, mein Kopf platzt. Meine Sätze fühlten sich an wie ein Labyrinth. Du hast den Satz auf Deutsch im Kopf und versuchst ihn Stück für Stück zu übersetzen. Nach kurzer Zeit merkst du aber >> Shit, Sackgasse!<< Du gehst also wieder zurück, schlägst einen neuen Weg ein und hoffst, dass dieser besser ist.
Insbesondere die Vergangenheitsformen von Verben ist im Moment noch mein Todesurteil und nimmt jegliche Geschwindigkeit aus meinen Sätzen. Da die Grammatik dahinter nicht so einfach ist wie im Englischen, wo mit wenigen Ausnahmen einfach nur ein „ed“ hinzufügt wird, ist die Vergangenheit im norwegischen für mich wie russisches Roulette. Manchmal klappts, manchmal nicht.
Um an der Reaktion meiner Kollegin abzulesen, ob meine Variante richtig ist oder nicht, dehne ich die Verben in der Vergangenheitsform gerne in eine gefühlte Unendlichkeit bzw. drücke in Zeitlupe den Abzug. Meine Kollegin verglich mein Norwegisch am Anfang mit einem Sketch aus dem Fernsehen. Dort mussten zwei Personen über etwas erzählen – aber simultan ohne dass sie sich absprechen konnte. Das Ergebnis war, dass beide extrem langsam gesprochen haben, um erahnen zu können, was der andere sagen wird. Den Sketch perfektioniere ich gerade, ohne dass ich ihn jemals gesehen habe. Ich bin eben ein Naturtalent und biete meinen Service unter dem Künstlernamen German Slowmotion Girl an!
Was Norwegisch etwas schwieriger macht, sind diese fiesen kleinen Füllwörter (wie ich sie nenne), die man im deutschen teilweise gar nicht mitübersetzen würde und dass die Präpositionen so unterschiedlich zum Deutschen sind. Wenn ich mir in Sätzen nicht sicher bin, nutze ich manchmal einfach alle Präpositionen hintereinander weg. Dann kann sich mein Gegenüber das passende aussuchen. Gerne auch genutzt, wenn ich mir beim Geschlecht (Wie im deutschen gibt es drei, aber die sind natürlich anders - einfach wäre ja auch langweilig) unsicher bin. Die gleiche Technik nutzen ja in Deutschland auch einige bei der Vergleichsform. „Du bist viel größer als wie wo ich.“ Dann darf ich das auch!
Ein anderes Mal musste ich wiedergeben, was im Kinofilm passiert ist, den ich am Tag zu vor gesehen hatte. Ich habe fast vier Meetings gebraucht, die gesamte Handlung wiederzugeben. In der gleichen Zeit hätte man den Film auch schauen können und es wäre (sehr) wahrscheinlich sogar spannender gewesen. Mir wird er aber definitiv noch lange in Erinnerung bleiben.
Hinsichtlich der Sprache, finde ich aber insbesondere das Verhältnis der Skandinavier unter einander interessant. Ganz oben im Ranking der skandinavischen Länder steht bei mir Finnland. Sobald ein Finne in der Email Kommunikation oder im Termin dabei ist, spricht man Englisch, da Finisch keinerlei Ähnlichkeit hat zum Norwegischen. Mir wurde einmal erklärt: Finisch sieht aus, als sei jemand auf der Tastatur eingeschlafen. Ich kann das nicht beurteilen, aber ich mag die Finnen. So bin ich nicht immer der einzige Grund, warum Englisch gesprochen wird. Geteiltes Leid, ist halbes Leid.
Die Schweden und die Norweger stehen sich dann in der skandinavischen Familien wohl am nächsten. Beide können sich recht gut unterhalten, in dem sie Ihre eigene Sprache sprechen. Geschrieben kann ich Schwedisch mehr oder weniger auch verstehen.
Interessant wird es dann aber, wenn die Dänen ins Spiel kommen, was ich hautnah in einem Termin miterleben durfte. Der dänische Präsentator erklärte direkt am Anfang des Meetings, dass er die Präsentation auf Englisch halten wird, da ansonsten mindesten 20% der Informationen verloren gehen würden wegen der Sprachbarriere. Aus der dritten Reihe hörte man daraufhin einen erleichterten Seufzer vom German Slowmotion Girl. Eine Präsentation auf Dänisch bedeutet bei mir wahrscheinlich ein Informationsverlust von 99,9%, da meine Schwimmflügel nur für Norwegisch geeicht sind. Mittendrin wurden immer wieder Fragen gestellt von den anderen Teilnehmern – aber auf Norwegisch. Der Präsentator konnte diese auch ohne Probleme verstehen, die Antwort wurde aber weiterhin auf Englisch gegeben. Vergleichbar ist dies wohl bei uns mit den Schweizern und Deutschen. Während jeder Schweizer Hochdeutsch versteht, verhält es sich andersherum nicht unbedingt so.
So muss ich sagen, dass die Dänen ähnlich hoch in meinem Ranking stehen. Präsentationen und Termine werden mit Ihnen auf Englisch gehalten, was ein bisschen Pause für meine beanspruchten Gehirnzellen bedeutet. Sie bekommen aber in der B-Note von mir noch einen kleinen Extra-Punkt, da die leicht mitschwingende Arroganz, wenn sie auf Englisch antworten, für außenstehende recht unterhaltsam sein kann. Ich würde mir wünschen, sie würden dies noch um das Werfen von ein ein bisschen Glitterkonfetti ergänzen.
Aber die Zeit arbeitet für mich. Ich merke, wie die Schwimmflügel langsam stabiler werden und nicht jedes Mal ein Sturm aufkommt, wenn ich mich auf die norwegische See hinausbegebe. Außerdem habe ich gelernt, dass Bauchklatscher auch dazu gehören und ich nach dem ersten Schmerz auch drüber lachen kann. Wenn ich zum Beispiel wieder einmal „Ich muss Haferbrei (grøt)“ anstelle von „Ich muss weinen (gråte)“ sage. Aber ohne regelmäßig ins Wasser zu springen, werde ich nie eigenständig schwimmen können. Da muss ich mich damit abfinden, dass es am Anfang nicht nach Olympischem Synchronschwimmen aussieht. Und wenn es gar nicht mehr geht, kann ich mich immer noch auf die englische Küstenwache verlassen.
Aber auch die Norweger haben andersherum Probleme mit der deutschen Aussprache. Ich dachte, ich wäre nach meiner Zeit in den USA abgehärtet hinsichtlich der Verstümmelung meines Namens (mein Highlight war, ist und bleibt immer noch „Marki“). Aber ich hätte nicht gedacht, dass mein Name hier auch Schwierigkeiten bereitet. In den meisten Fällen kommt eine sehr holländische klingende Variante dabei raus in Richtung Mareeke mit leicht gerolltem R. Dann wird mir oft noch gesagt, dass sich der Name ja wirklich holländisch anhören würde und ich denke nur: „So ausgesprochen… Natürlich!“ Meine Affinität gegenüber Käse ist aufgrund der norwegischen Rarität gestiegen, aber ich bin dennoch keine Frau Antje.
Sich zurückhalten muss man sich dann aber wirklich, wenn man gesagt bekommt, dass der Name Mareike etwas komisch sei. Insbesondere da hier Namen wie Geir und Eir, wo es mir schon schwer fällt überhaupt das Geschlecht zu wissen, auf mich warten. Mein Highlight ist aber immer noch „Gry“ und „Gro“. Sollte ich jemals Zwillingsmädchen bekommen, werden sie definitiv Gry und Gro heißen.
Und damit ihr auch ein bisschen Spaß habt und euch vielleicht einmal mit Frau Antje auf die See hinaustraut, ende ich den Blogpost hier mal mit einem kleinen Namensrätsel. Viel Spaß beim Geschlechter-Raten mit der Wilden 13. Auflösung kommt zeitnah.
- Torill
- Tone
- Eir
- Bjørg
- Unni
- Åse
- Leif
- Øivind
- Geir
- Inger
- Øystein
- Synne
- Asta