On my way from the North of Germany to the North of Europe
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Small things matter...

1/9/2019

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Wir sind nun bereits seit mehr als zwei Wochen wieder zurueck in Deutschland. Back for good quasi. Hier im Blog war es lange lange lange sehr ruhig. Bevor ich das Kapitel Norwegen aber schließe bzw. schließen kann, schulde ich mir, dem Blog und euch einen letzten Post. Mein persönliches Fazit der letzten vier Jahre. 

Erwartungen hatte ich eigentlich wenige bevor wir umgezogen sind. Wir sind nach Norwegen gegangen, da mein Mann – damals noch Freund – ein Jobangebot bekommen hat. Nicht weil wir die Nase voll hatten von Deutschland oder Norwegen immer unser großer Traum war. Ich war bereit für etwas anderes, etwas neues. Und das gab es und zwar dicke.  

In ein Land zu ziehen, wo ich die Sprache nicht spreche, hat mir damals schon ein mulmiges Gefuehl gegeben und war über die ganze Zeit ein begleitendes Thema. Dennoch kann ich es jedem eigentlich nur empfehlen. Mitunter war ich recht oft der Ochs vorm Berg, was meinen Horizont aber enorm erweitert hat. Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit war immer wieder mein Motto.  Gefühlt bin ich an vielen Stellen über mich hinausgewachsen, weil es anders einfach gar nicht ging.

Lost in translation? Wenns doch nur allein die Sprache wäre. Nein, hinzu kommen noch andere Bräuche, Traditionen, Kulturen. In meinem Gepäck zurück war definitiv ein größerer Anteil Toleranz als bei der Hinreise.  

Apropos Hinreise! Vor unserem Umzug bekam ich ja immer wieder die glorreichen Tipps, dass Norwegen doch kalt, dunkel und teuer sei. Stimmt das wirklich – jedenfalls im Vergleich zu Hamburg? 

Bis auf Windeln sind die meisten Produkte wirklich enorm teuer, insbesondere für Ausländer. Wieso gerade für Ausländer? Okay, liebe Norweger, falls ihr das jetzt lest, sorry. Aber für Ausländer ist das Leben oft etwas teurer, da sie mit anderen Lebensmitteln groß geworden sind. Noch einmal sorry, aber die Norwegische Küche hat wirklich nicht viel zu bieten. #sorrybutnotsorry 

Vorteil: Wenn man mit ihr groß wird, ist man nicht nur daran gewöhnt sondern verbindet auch Kindheitserinnerungen mit ihr. So bekommt man das “Traditionsessen” besser runter. Glaubt mir, das hilft wirklich, wenn man sich Mittags den “Schinkenkaese” aus der Tube aufs Brot schmiert (Gibt es natürlich auch in der Geschmacksrichtung Shrimp). Oder Weihnachten den in Säure eingelegten Fisch reinzieht. 
Möchte man anderen Käse auf dem Brot vorfinden, darf man recht tief in die Tasche greifen. Unser letztes Stück Gouda kostete schlappe 20 Euro und ich wuenschte es waren 2 kg.  


Und eine wichtige Anmerkung hier: NEIN!!! Man verdient nicht immer mehr in Norwegen. Das gilt u.a. für handwerkliche Berufe aber nicht unbedingt für Bürojobs mit Berufserfahrung. Wir haben beide nicht wirklich mehr verdient und das lag nicht an schlechten Verhandlungen.  Der 20 Euro Gouda tat mir also ebenfalls weh.
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Hmmm..... Schinkenkäse.... lecker!
Dennoch muss ich sagen, dass ich am Ende des Monats ähnlich viel Geld übrig hatte wie in Hamburg. Das liegt aber auch daran, dass man sich etwas mehr einschränkt und Käufe mehr überlegt und ein wenig seltener ausgeht. Am Ende halt Gouda nur jeden zweiten Monat.

Kommen wir zu kalt und dunkel. Ja, die Sonne geht im Winter früher unter und auch später auf. Das mit der Kälte stimmt auch. Ich hatte die gro
ße Ehre, den härtesten Winter in Oslo seit 20 Jahren zu erleben. Fluchend schob ich den Kinderwagen von Dezember bis Ende März durch tiefen Schnee.  


Mein persönlicher Fehler war definitiv, dass ich kein Freund von Wintersport war und bin. Der Winter lebt sich auf jeden Fall einfacher, wenn man seine Zeit auf Skiern verbringen kann. Das Argument mit der Kälte und der Dunkelheit, lasse ich deswegen nur halb durchgehen. Ein Wintersportfan kann auf jeden Fall auf seine Kosten kommen und den Winter trotz Dunkelheit mögen. 

Dennoch waren die Wintermonate für mich die härtesten. Aber nicht unbedingt, da die Sonne anscheinend im Urlaub war und Frau Holle Überstunden machte. Schwierig wurde für mich diese Zeit, da die Mentalität der Menschen in Verbindung mit der dunklen Kälte anstrengender war. 

Norweger sind in sich gekehrt. Interaktion mit anderen passiert nur, wenn wirklich nötig. Versteht mich nicht falsch, die Norweger sind unglaublich freundlich, wenn man sie anspricht und Hilfe braucht. Aber in zwei Wochen Hamburg hatten wir soweit mehr Smalltalk mit Fremden im Park oder Supermarkt als in 4 Jahren Norwegen. 

Peinlich berührt war ich meist bei der Fahrt im Fahrstuhl. Kein Hallo, nur Schweigen und auf den Boden starren.  

Mein “schönstes” Erlebnis hatte ich auf einer Geburtstagsfeier, wo ich in der Küche das Buffet lobte, um ein wenig das Schweigen zu brechen. Wie naiv von mir.  Der Norweger neben mir wurde so nervös, dass ich mich gefragt habe, ob er wohl lieber aus dem Fenster gesprungen wäre als mir etwas zu entgegnen.   

Die französische Aurelie fragte sich im Song von Wir sind Helden, wie die Deutschen flirten, denn keiner scheint sich für sie zu interessieren. “Du musst wissen, hier ist weniger oft mehr… die Deutschen flirten sehr subtil” war die Antwort an sie. 
Ein Rat von mir: Ach Aurelie, zieh besser nie nach Norwegen, wenn du die Deutschen schon als zu zurückhaltend empfindest. ​
Dieses nicht interagieren ist für die Norweger eine Form der Höflichkeit, weswegen man dieses Thema auch nicht wirklich großartig diskutieren kann. Sie sehen es ein, aber sie sind halt wie sie sind. Du kannst ja schlecht gegen die Höflichkeit argumentieren.

Ich hatte immer wieder die Unterhaltung mit Familie und Freunden was Integration ist und dass wir von au
ßen betrachtet integriert sind. Wir arbeiten beide in norwegischen Firmen, haben ein Wohnung im Herzen Oslo, unser Sohn geht in einen norwegischen Kindergarten. 

Dennoch hätte ich uns nie als integriert bezeichnet. Die einzigen Norweger in unserem Freundeskreis waren in Beziehungen mit anderen “Ausländern” wodurch der Kontakt entstanden war. Außerdem  konnte man sie an einer Hand abzählen. Ich hatte mich die ersten zwei Jahre wirklich bemüht, aber es ist immer im Sande verlaufen. Irgendwann habe ich offiziell aufgegeben, norwegische Freunde zu haben oder zu suchen. Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Wir waren in dem Sinne nicht einsam und haben wirklich mega tolle Freundschaften geknüpft. Halt nur nicht mit Norwegern. 

Aber diese Mischung aus Zurückhaltung mit dunklen Wintermonaten hat es f
ür mich noch ein paar Grad kälter gemacht. Im Büro hatte ich so viele kleine Erlebnisse, wo ich mir immer wieder selber sagen musste, dass das nichts mit meiner Person zu tun hat, sondern dass es einfach die Mentalität der Norweger ist.   

Richtig an sie rangekommen bin ich nie. Gefühlt war immer noch etwas zwischen einem, was irgendwie nicht überwunden werden konnte. So habe ich in Deutschland auch viele private Kontakte durch den Job geknüpft. In Norwegen? Pustekuchen.

Glücklicherweise gehört zu dieser Mentalität aber auch, dass Norweger alles sehr relaxt sehen. Im Büro teilweise auch als purer Faulheit - muss man sagen. Norweger in die Verantwortung zu ziehen, fühlt sich oft an wie Fische mit der bloßen Hand zu fangen. Schwups, glitschten sie einem aus den Händen.  

Dennoch, “warum kompliziert, wenn's auch einfach geht?!” Das ist definitiv eine Norwegische Herangehensweisen. Gepaart mit einer seeeeehr großen Konfliktscheu, sind die Norweger wirklich tiefenentspannt. Eine Eigenschaft, die gerne auch außerhalb Norwegens gepflegt werden dürfte.  

Aber natürlich gibt es für jede Regel auch eine Ausnahme. Der Norweger ist so gar nicht entspannt, wenn es um den Verkauf von Wohnungen oder Häusern geht. Hier haben sie es geschafft, einen ganzen Industriezweig aufzubauen und viele neue Jobs zu etablieren. Ich glaube, kein anderes Land hat so viele Stylisten und Fotografen. 

Bevor es für uns zur
ück ging nach Hamburg, mussten wir selbst noch für unsere Wohnung einen neuen Besitzer finden. Das bedeutet, du musst halb ausziehen. Keine persönlichen Gegenstände dürfen in der Wohnung bleiben. Ein Stylist hilft dir die Wohnung in einen Zustand zu bringen, wie sie nie vorher war und wenn man wirklich lebt auch nie sein kann. 

Das Ziel ist Hotel Feeling zu erzeugen. Ungelogen, das war der O-Ton, den ich zu hören bekam, als man mir sagte, wie viele Deko Kissen ich besorgen soll.  Lasst euch gesagt sein, auf dem Bett zu schlafen oder dem Sofa zu sitzen war nachher nicht mehr möglich. Die Prinzessin auf der Erbse hätte definitiv keine Erbse unter den Kissen mehr sp
üren koennen. 

Der Wohnungsmarkt ist mega schnell in Norwegen und länger als 2-3 Wochen sollte eine Immobilie nicht auf dem Markt sein. Dann ist wahrscheinlich etwas faul mit ihr.

Unser eigener Verkauf hat mir definitiv noch ein paar graue Haare in den letzten Zügen in Oslo beschert. Nach einem Tages- und Nacht-Fotoshooting mit dem Fotografen und der Hilfe eines Stylisten, haben wir dann endlich ein Gebot erhalten, was wir annehmen wollten und haben nun Fotos unserer Wohnung, die man auch in der Vogue nutzen könnte - wer will das nicht?
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Unser Wohnzimmer - wie es nie aussah!
In Norwegen haben mich viele gefragt, warum wir wieder zurückziehen, insbesondere Norweger, was ich manchmal recht amüsant fand. Warum zieht man als Deutscher wieder nach Deutschland? 

Auf die Frage hatte ich meist nicht eine Antwort sondern viele kleine. Zunächst war nie angedacht, dass wir für immer gehen. Zwei Jahre waren geplant, vier sind es geworden. Und ganz ehrlich, eigentlich finde ich reicht das als Antwort. 

Will man mehr, kann ich das bieten:
Mein Sohn hat mit 2 Jahren bereits in 50 Flugzeugen gesessen. Der Preis bei internationalen Beziehungen. Man reist ständig, was auf Instagram vielleicht nett aussieht, mich aber ziemlich müde gemacht hat. Wieder zurückzuziehen, minimiert unsere Reisen immens.

Wir hatten keine familiäre Unterstützung vor Ort, was wir besonders zu spüren bekommen haben nach der Geburt des kleinen  König von Norwegen. 

Wir hatten zwar viele Freunde, aber wie oben aufgeführt, fühlten wir uns nicht richtig integriert. In anderen Worten, man war der Au
ßenseiter. Das Argument habe ich meist bei Norwegern nicht aufgeführt. Ich muss hier ja niemanden provozieren. Andere Ausländer hingegen unterbrachen mich oft mitten im Satz mit Zustimmung, dass es ein schwieriges Land sei, um richtig anzukommen und ein Heimatgef
ühl zu entwickeln. 

​Alle oben aufgeführten Punkte sind mit Sicherheit wahr und haben unsere Entscheidung beeinflusst. Aber alles in allem waren einfach die vielen kleinen Dingen ausschlaggebend, dass wir uns wieder entschieden haben zurückzuziehen.  

Small things matter! Die kleinen Dingen haben meinen Leben in Oslo häufig stark beeinflusst, sei es in positiver oder negativer Richtung. Ein freundliches Wort, ein Lächeln, eine helfende Hand konnten einen normalen Tag in einen sehr guten Tag verwandeln. Das wurde mir gerade bewusst durch den Mangel an Familie und Freunden am Anfang. 

Natürlich wollten wir wieder näher zu Familie und Freunden ziehen. Aber ein großer Antreiber waren die vielen kleine Dinge, die man vermisst, wenn man sie nicht mehr hat. Denn so sagte schon van Gogh:

     "Große Dinge entstehen durch eine Reihe kleiner Dinge, die zusammen kommen."

Also, haltet Ausschau nach den kleinen Dingen. Es sind meist die wahren Gluecklich-Macher!

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Wie läuft der Hase in Norwegen?

2/8/2018

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Here we go again :-) Die Abstände zwischen den Beiträgen werden größer. Ich weiß, ich weiß. Die letzten Wochen und Monate waren aber auch ereignisreich, gepaart mit viel Müdigkeit und die Couch und das Schweinehündchen siegten doch häufiger.

Man muss aber auch sagen, dass die letzten Monate teilweise auch sehr hart waren - insbesondere die Monate von Januar bis April.  Hatten wir uns doch bei 25 Grad und Sonne im Jahr zuvor entschieden, noch länger zu bleiben, lachte Norwegen mir am Anfang des neuen Jahres mit einer grässlichen Fratze entgegen.

Konstant Schnee und eisige Kälte von Januar bis April. Der härteste Winter seit 20 Jahren in Oslo und ich mitten drin. Spikes wurden zu einer Grundausstattung, denn die Gehwege werden hier nur oberflächlich vom Schnee befreit. Das Resultat: Die halbe Stadt wird zu einer reinsten Eisbahn – für Wochen und Monate. 

Highlight Momente waren aber meist bei Neuschnee. Wenn ich mit Kinderwargen durch die Frau Holle-Produktion schieben durfte – bergauf versteht sich. Das ist anstrengender als jedes HIIT Workout in der Muckibude. Mein Mantra in diesen Momenten war: „Warum? Warum habe ich zugesagt, noch länger zu bleiben?“ (Ich weiß, positives Denken gelingt mir immer!)

Die Straßen wiederum werden von Schnee und Eis befreit (Autos sind ja auch viel wichtiger als Passanten), weswegen man auch gerne mal eine fluchende Deutsche mit Kinderwagen zwischen Elektroautos und Volvos stiefeln sah.

An manchen Tagen sank die Temperaturen tagsüber auf unter -15 Grad und dann durften auch endlich die kleinen Knirpse in der Kita drinnen schlafen. Ansonsten hieß es jeden Mittag in tausend lagen Wolle, ab nach draußen in den Kinderwagen zum Bubu machen.  

Die Kirsche auf dem Ganzen war dann die Begleiterscheinung des Kita-Startes. Ich bin mir sicher, dass man jegliches Gesundheits-Lexikon durchgehen könnte und jede erwähnte Krankheit wäre in meinem Körper zu Gast gewesen von Januar bis April diesen Jahres.

Ihr seht, es war einfach Bombe. Positiv an dem ganzen war bzw. ist die Einstellung der Norweger. In den ersten Wochen war ich mehr zu Hause als im Büro. 12 Tage pro Jahr bekommt jeder Elternteil für das zu Hause bleiben mit einem kranken Kind, alternativ ist Home-Office natürlich auch möglich. 

Der kleine König hatte einen recht strengen Rhythmus. Eine Woche Kita, eine Woche krank, was von meinem Arbeitgeber aber ohne Probleme akzeptiert wurde. Anstelle von süffisanten Kommentaren hörte ich meist nur: „So ist das eben im ersten Jahr in der Kita. God bedring“. Nur die 50% Rabatt in der Kita gab es nicht, auch wenn wir nur Teilzeit dort waren.

Eingestiegen war ich nach der Elternzeit wieder mit 70%. Es stellte sich aber recht schnell raus, dass das teilweise schwer zu handlen ist, wenn ein Partner beruflich viel reisen muss. (Kleiner Tipp: Der reisende Partner bin ich... NICHT.) Gefühlt war ich nur am Rotieren zwischen Job und Kita bzw. Eislaufen, wenn man den Zustand der Fußwege mit einbezieht.
 
70% arbeiten ist in Norwegen nicht unbedingt üblich. Die meisten Paare, die ich kenne, arbeiten beide Vollzeit oder höchstens einer reduziert auf 80%. Abholen und Hinbringen machen beide Elternteile. Anders ist Vollzeit arbeiten aber auch nicht möglich. Einer macht die Morgenschicht, der andere die am Nachmittag. Das Konzept ging bei uns dank Geschäftsreisen nicht auf. Beide Schichten und eine Kita, die um 16 Uhr schließt, waren schwer vereinbar mit einer gewissen Stundenanzahl im Büro. Nicht zu erwähnen, dass wir keine Familie als Unterstützung in der Nähe haben.

Deswegen entschied ich mich im April auf eine halbe Stelle zu reduzieren. Eine sehr gute Wahl. Aber ihr könnt euch denken: 70% waren bereits eher unüblich, 50% sind also noch seltener. Wobei halt – ich betone immer wieder gerne: 53,3% ist der exakte Prozentsatz bei 20 Stunden.  Aber zurück zum Thema. In Norwegen erfolgen reduzierte Arbeitszeiten meist im Zusammenhang mit Krankschreibungen vom Arzt. So wurde ich auch von vielen mit Mitleid in den Augen gefragt, ob bei mir alles okay sei und ob ich aus gesundheitlichen Gründen meine Stunden reduziert hätte. Meine Antwort war meistens ein verdatterter Gesichtsausdruck.

In Norwegen gibt es normalerweise eine (!) Art und Weise etwas zu tun und die Mehrheit folgt diesem. Gibt es Abweichungen von der Norm, muss es dafür einen besonderen Grund geben. Norwegisch war meine dritte Sprache, die ich "gelernt" habe und das erste Mal waren im Sprachbuch die dargestellten Personen, Bräuche und Traditionen keine Klischees sondern einfach die Wahrheit.  Ostern ist gelb und wird auf der Hütte mit Skifahren verbracht, Mittagessen gibt es um 11 und Freitag ist Taco Tag (Kein Witz). Der Hase hat hier nur eine Art zu laufen.

Ähnlich verhält es sich auch in Sachen Kinderbetreuung. Die Stöpsel  starten ab dem ersten Lebensjahr in der Kita, damit beide Eltern wieder arbeiten gehen. So ist das halt. Wenn du nach dem ersten Lebensjahr mit deinem Kind noch zu Hause bist, liegt das hoffentlich daran, dass ihr keinen Kita Platz bekommen habt.

Dass beide Partner in Norwegen recht gleichgestellt sind, finde ich natürlich prinzipiell super. Es mangelt halt nur manchmal an Flexibilität. Die skandinavischen Länder werden immer wieder gelobt für ihre Kinderbetreuung, die Gleichstellung, der hohe Anteil der arbeitenden Mütter, etc. Was mit Sicherheit auch zutrifft, nur fehlt mir manchmal da der qualitative Aspekt. Dieses Land ist auf so vielen Ebenen extrem Familien freundlich, aber ein bisschen Schatten zwischen all dem Licht gibt es auch. 

Meine Stunden zu reduzieren fiel mir nämlich persönlich zunächst nicht ganz leicht aufgrund von sozialem Druck. Bin ich die einzige Mutter, die es in Norwegen nicht schafft, Vollzeit zu arbeiten? Sind die Eltern der anderen Kinder in der Kita Superhelden oder ich einfach nicht fähig?
​Nach und nach kehrte sich die Frage aber für mich um in: Wie viele Eltern arbeiten hier Vollzeit, weil es halt die Norm ist, der man gefälligst folgt? Bedeutet eine hohe Quote  arbeitender Eltern auch zufriedene Eltern? Gibt es nur schwarz und weiß - nichts dazwischen? 50 shades of grey sind wohl nur als Buch und Kinofilm ein Erfolg. 

Einige andere Volzeit arbeitende Eltern, mit denen ich über meine Teilzeit Stelle gesprochen habe, waren total begeistert. Äußerten, dass sie die Idee auch für ihre Familie gut finden würden, wenn mehr Zeit ausserhalb des Büros zur Verfügung stehen würde. Durch die Vollzeitstellen würde so viel zu Hause liegen bleiben  (wahrscheinlich war das wortwörtlich gemeint ;-)) und es wäre für den Hausfrieden mit Sicherheit auch förderlich. Ich gehe aber davon aus, dass sie ihre Stellen nicht anpassen werden. Warum: Weil so der Hase hier nicht läuft.

Apropos Hase: Nach Ostern war es Gott sei Dank vorbei mit Eis und Schnee und wir sind relativ schnell direkt in den Sommer eingestiegen. Tropenhitze hatten wir hier auch mehrere Monate lang. Und ratet mal, wer sich nicht einmal beschwert. Riiiiiichtiiiiiiig! Die deutsche Teilzeit Mutti. 34 Grad sind so viel besser als -20. Glaubt es mir.

Im Juli konnte das Wetter auch richtig genutzt werden, da im Büro tote Hose war. Die Norweger waren alle ausgeflogen. Alle? Ja so ziemlich jeder. Im Juli macht man nämlich seinen Sommerurlaub. Juli versteht sich, nicht Juni oder Gott bewahre erst im August. Warum? Na, weil man das halt einfach so macht. Ihr wisst schon, der Hase und so.  
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Bild: Emiliano Vittoriosi
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Monopoly 2.0 mit den Polo Boys

11/1/2018

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Also, eigentlich hatte ich mir ja vorgestellt, dass ich diesen Beitrag mit einer heißen Schokolade vor mir in einem Cafe schreibe, während der König von Norwegen in der KiTa versorgt wird. Aber nein. Das Zauberwort heisst Omgangssyke oder auf Deutsch Magen Darm. Während der kleine König nun schläft, die Waschmaschine auf Hochtouren läuft (kann ich mich da selber eigentlich auch reinlegen, die letzte Windelexplosion hatte es in sich), nutze ich die Zeit für ein Update bevor die fiesen Bazillen auch mich erwischen.

Seit wenigen Tagen geht der kleine Sprössling nun also in die KiTa. Bevor es offiziell begann, gab es aber erst einmal eine genaue Liste, was die Knirpse mitbringen müssen und eine exakte Belehrung, wie viele Lagen Kleidung gebraucht werden, wobei viel wichtiger ist das Thema: Welche Materialien! Määähh… Wir sind also wieder zurück beim Schaf! Wolle, Wolle Wolle!

Erste Lage soll bitte Wolle sein. Nicht zu vergessen sind aber auch die Wollhandschuhe, Wollsocken, Wollmütze und am besten noch ein weiterer Wollanzug, wenn es nach draußen geht zum Spielen bzw. Mittagsruhe im Kinderwagen. In Deutschland kommen nur die Harten in den Garten, in Norwegen alle. Ab -10 Grad wird aber drinnen geschlafen, denn es könnte sein, dass die Stöspel im Schlaf  bei der Kälte aufhören zu atmen. Beruhigend, nicht wahr?

Um hier fair gegenüber allen Materialien zu sein. Fleece ist auch nicht schlecht. Aber bitte nur als äußere Schicht. Toll ist insbesondere, wie schnell es trocknet. Baumwolle ist  - jedenfalls in der kalten Jahreszeit – der große Verlierer. Sorry Baumwolle. Also kein Foto für dich heute. Aber vielleicht wird es ja was in der Summer-Challenge!

Alle Informaterialien  vom Kindergarten sind natürlich auf Norwegisch. Eigentlich kein Problem mehr, aber bei ein paar Worten, wollte ich doch noch einmal nachschlagen. Mein Freund Google Übersetzer, der so häufig an meiner Seite war, lässt mich aber jetzt wirklich ganz im Stich. Ich habe durchaus große Zweifel, dass weder die dicken Polo Boys noch die Polar Warzen daran Schuld sind, wenn die Kinder den Verstand verlieren. Aber beachtlich, dass in Norwegen auch Regenbögen arbeiten. Ja von nichts kommt nichts.
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Das Beste an unserem Kindergartenplatz, ist aber unsere neue Wohnung nur wenige hundert Meter entfernt. Beides gab es nicht im Paket. Aber manchmal spielt einem der Zufall einfach sehr gut in die Hände.

Da wir uns entschieden haben, noch länger in Norwegen zu bleiben, wollten wir dem Miete zahlen ein Ende bereiten und in die eigene vier Wände investieren.

Hier in Norwegen ist es relativ Standard, dass man Eigentum besitzt. Als Mieter hast du auch weitaus wenige Rechte im Vergleich zu Deutschland. Richtig sesshaft kannst du in einer Mietswohnung nicht wirklich werden. 

Bei der Arbeit hatte ich mich schon dran gewöhnt, dass meist auch das jüngste Team Mitglied bereits seine eigene Wohnung in Oslo besaß und ich gar nicht mehr wissen wollte, wie so etwas finanziert wird (in den meisten Fällen natürlich von Mama und Papa, bzw. auf Norwegisch von Mamma og Pappa).

Für alle Suchenden gibt es eine Anlaufstelle in Norwegen, sei es Job, Auto oder Haus. www.Finn.no ist die Adresse für einfach alles!  Wohnungen zum Kauf findet man dort also auch.

Der Markt hier in Oslo war vor einem Jahr noch unglaublich. Es gab einen großen Auflauf bei Besichtigungen und die Interessenten haben sich gegenseitig haushoch überboten. Wohnungen, die 20 Prozent über Preis verkauft wurden, waren Standard.

Dies ist seit wenigen Monaten nicht mehr so. Der Markt hat sich beruhigt und ist gerade Käuferfreundlich. Gut für uns. Nicht nur wegen des Geldbeutels sondern auch wegen der Nerven. Ein Wohnungskauf ist in Norwegen nämlich sehr vergleichbar mit Ebay und es kann sein, dass du 48 Stunden nach der Wohnungsbesichtung bereits Besitzer der neuen Bude bist, die du genau einmal gesehen hast. 3,2,1... meins!

Aber fangen wir einmal vorne an. Du bist auf finn also fündig geworden und gehst zum ersten Besichtigungstermin. Vorab hast du am besten bereits mit einer Bank gesprochen und die Zusage für einen möglichen Kredit. Denn es kann ab jetzt von Minuten abhängen, ob du gewinnst oder verlierst.

Die Wohnung, die du dir anschaust, wurde Wochen vorher bereits von einem „Stylisten“ besucht, der den momentanen Besitzern genau erklärt, wie sie das Objekt optisch aufmöbeln können: Alle persönlichen Gegenstände raus, mehr Kissen, Decken, Kerzen und Schi-Schi. Wenn möglich Babybetten durch Gästebetten ersetzen, damit auch Kinderlose eine Vorstellung der Zimmergröße haben. Pimp my flat heißt die Devise.

Wurde dies erledigt, folgt der Fotograf mit der superduper Weitwinkel Kamera, der jeden Raum wie einen Ballsaal erstrahlen lässt.

Aber zurück: Die gestylten Weitwinkel Fotos haben geholfen und die Interessenten kommen herbei geströmt.

Der Makler, der ähnlich „fähig“ wie die Kollegen in Deutschland ist, präsentiert die Wohnung ganz nach dem Motto „sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit“ und man bekommt einen kleinen Prospekt, wo alle Aufnahmen und Informationen über die Wohnung noch einmal abgedruckt sind, zusammen mit dem Report vom Fachmann, der die Wohnung vorab inspiziert hat. Alles aufgemacht wie ein Hochglanzmagasin am Kiosk.

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Da man sich in nur kurzer Zeit für eine Wohnung entscheiden muss, ist es nicht üblich, dass man selber einen Experten schickt, um mögliche Schäden und Mängel zu finden. Alle Räume wurden deshalb vorab begutachtet und quasi mit einem Schulnotenrpinzip bewertet.

Als Deutscher fühlt man sich da etwas unwohl. Gerne lässt man sich für so etwas doch viel Zeit und vertraut den Leuten, die man selber engagiert hat. Aber Norwegen hat hier eine Lösung, die Balsam für das deutsche Herz ist. Abgesehen von den möglichen Mängeln, die bereits vom Fachmann im Report aufgeführt wurden, gibt es eine… haltet euch fest… VERSICHERUNG für alle weiteren Schäden, die nach Einzug (bis 5 Jahre danach) erkannt werden. Versteckt sich in der Wand also heimlich Schimmel, kann dies über die Versicherung gelöst werden. Wobei mir natürlich eine Schimmelfreie Wand lieber wäre.

Circa 24 Stunden nach der Besichtung beginnt dann die "Auktion". Wie alles in Norwegen passiert das natürlich online. Wie auch sonst! Alle Interessenten geben ihr Angebot ab. Wurde man überboten, erfährt man das höchste Gebot sofort und hat einen gewissen Zeitraum zu handeln. Die Dauer des höchsten Angebots wird vom Bieter bestimmt. Es kann 30 Minuten sein aber auch 1 Tag. Es kann also passieren, dass dir nicht viel Zeit bleibt. Du musst vorab also am besten schon entschieden haben, wie weit du gehen willst.

Last but not least, muss der Verkäufer natürlich zustimmen. Er muss nicht das höchste Angebot annehmen. In unserem Fall hatten wir keine Mitinteressenten, was die ganze Angelegenheit für mein Nervenkostüm einfacher gemacht hat und der Geldbeutel wurde ebenfalls geschont. Gegen sich selber bieten ist nur begrenzt möglich und dem Verkäufer fehlt irgendwie das Druckmittel.

Dadurch dass aber alles so unglaublich schnell geschieht und hauptsächlich online oder per SMS, kommt es dir irgendwie gar nicht real vor. Eher wie Monopoly 2.0. Die hohen Summen, die da wie an der Börse im Sekundentakt gehandelt werden, liegen fernab von deinen sonstigen „Einkäufen“. Ich bin aber dennoch zufrieden, so lange es am Ende nicht heisst: Gehe in das Gefängnis. Begib Dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht DM 4000 ein"

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Fünf Dinge, die ich an dir hasse, Norwegen!

7/11/2017

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Ja, ich weiß…. Lang ist es her. Von wegen ein Jahr nicht arbeiten müssen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie voll der Tagesplan einer Mutter ist. Nicht nur, dass der Tag mit Baby viel schneller rumgeht, auch gibt es jeden Tag eine andere Aktivität für Mütter in Oslo. Langweilig wird es hier nicht.

Aber auch wenn es hier im Blog ruhig war die letzten Wochen, so war dies nicht der Fall im Leben dieser kleinen multikulti Familie in Oslo. Ich erzähle aber dieses Mal nicht chronologisch, sondern etwas puzzlehaft mit den fünf Dingen, warum ich Norwegen hasse.
 

1) Lange Elternzeit, wo auch der Papa anpacken muss
Auf den ersten Blick ist die Elternzeit in Deutschland recht ähnlich zur Elternzeit in Norwegen. So oder so sollte man sich auch für beide Modelle glücklich schätzen. Sprechen wir mit Freunden in England, Australien oder den USA vermuten diese, dass wir heimlich das Tor zum Schlaraffenland gefunden haben.

Aber zurück zu den beiden Elternzeitkonzepten: Zwei kleine Unterschiede gibt es dennoch. Zum einen kann der Teil, der für den Vater bestimmt ist, nur in Anspruch genommen werden, wenn die Mutter wieder arbeiten geht. Der Gedanke ist, dass ein Elternteil arbeitet während sich der andere um den Sprössling kümmert.
 
Das fanden wir – um ehrlich zu sein – total doof, da wir gemeinsam in der Zeit Familie besuchen wollten. Einen Weg drum herum gibt es dennoch. Die Frau kann natürlich Urlaub in ihrer Firma einreichen. So haben wir unsere Zeit ebenfalls überbrückt. Mit einer Familie über halb Europa verstreut sind die Grundbedingungen aber natürlich auch andere. Den Trend, die Elternzeit für Safari Touren zu nutzen, finde ich auch etwas schwierig bzw. nicht im Sinne des Erfinders.

Der norwegische Gedankengang gefällt mit grundsätzlich, dass auch der Papa sich einmal für mehrere Wochen um volle Windeln und Co. kümmern muss. Da fällt die Einsicht leichter, dass man doch nicht den ganzen Tag netflixt und auch der Kaffee im Café anders schmeckt, wenn man aufpassen muss, was sich der Sohnemann heimlich vom Fußboden fischt.

Auch finanziell macht dies bei den meisten Familien keinen großen Unterschied, ob die Frau oder der Mann zu Hause bleibt. Mit der Deckelung in Deutschland bleiben wahrscheinlich gerade viele Männer in hohen Positionen lieber hinterm Computer als vorm Wickeltisch.

Die Deckelung gibt es hier auch, ist aber weitaus höher und falls das Gehalt doch den Satz übersteigt, gibt es bei vielen eine Lösung dafür:
 

2) Lohnausgleich während der Vaterzeit
Viele Firmen zahlen ihren Mitarbeitern die Lohndifferenz zwischen Elterngeld und dem normalen Gehalt während der Elternzeit – FREIWILLIG! Als man mir das das erste Mal erzählte, staunte ich Bauklötze. Irgendwie ja paradox, da man damit die Mitarbeiter ermutigt, vielleicht sogar mehr Zeit zu nehmen. Definitiv eine Idee, die es über die Grenzen von Norwegen schaffen sollte. Schon allein der Gedanke der Wertschätzung dahinter – nicht nur für den Mitarbeiter sondern auch für das übernehmen der Elternrolle – finde ich großartig.
 

3) Kein Karriereknick trotz Elternzeit
Elternzeit nehmen wird in Norwegen auch prinzipiell positiv betrachtet und nicht unbedingt als das abrupte Beenden der Karriere. Während ich aus Deutschland oft Geschichten zu hören bekommen habe, dass der Mann aus “Karriere-Gründen” kaum Elternzeit nehmen konnte oder es personell einfach nicht möglich, ist es uns hier ganz anders ergangen.

Während meine bessere Hälfte und ich unsere Sachen vorbereiteten, um für ein paar Wochen die Familien zu besuchen, rief sein Arbeitgeber an. Der erste Gedanke war natürlich in Richtung “Oh man, was auch immer es ist, könnt ihr das nicht alleine lösen”. Aber nein, es war keine inhaltliche Frage zu seinem Job. Eine Frage war es dennoch, aber ganz anderer Natur. Die Firma würde ihn gern befördern und gibt ihm das Wochenende als Bedenkzeit. Zurück aus seiner 10 wöchigen Elternzeit würde es dann direkt losgehen.

Und wieder staunte ich Bauklötze. Das kam komplett aus dem Nichts. Wir hatten keinerlei Vorahnung und eigentlich war der Plan gewesen, im kommenden Jahr wieder gen Deutschland zu ziehen. Eigentlich….

So saßen wir dort, bei 23 Grad und Sonne auf unserem Balkon und überlegten, was wir tun sollten. Die Annahme der Beförderung würde unsere Zeit hier definitiv noch einmal um 2-3 Jahre verlängern.

Eine gemeine Fragestellung an den wenigen Sommertagen in Oslo. Mitte Februar wäre ich wahrscheinlich weniger offen für eine solche Unterhaltung gewesen.
 

4) Kindergarten oder hinterm Herd Geld verdienen
In Norwegen hat dein Kind ein Anrecht auf einen Kinderbetreuungsplatz, wenn es 1 Jahr alt ist. Nur leider funktioniert das System nur richtig gut für Kinder geboren zwischen August und November. August ist Schulstart und die Kindergärten haben wieder Platz.

Wenn man im August ein Jahr alt ist, hat man also gute Karten. Danach folgen dann die Kinder mit Geburtstag im September, dann Oktober usw. Ab Dezember hast du kein wirkliches Anrecht mehr und es sieht auch recht dünn aus. Wenn du Glück hast, zieht vielleicht jemand um. Der König von Norwegen – unser Sohn – gehört zu genau den Kindern.

Die Anmeldung ist sehr einfach, erfolgt online und läuft gebündelt über eine zentrale Stelle. Du musst dich also nicht bei jedem Kindergarten einzeln bewerben. Online kannst du immer einsehen, wie viele Plätze in einem Kindergarten frei sind.

Nichtsdestotrotz, gar keinen Platz zu bekommen ist unwahrscheinlich. Aber es könnte sein, dass es nicht der Traumkindergarten ist, der fußläufig zu erreichen ist.
Betreuung erfolgt ganztägig, meist von 07.30 bis 17.30, bzw. «kann» ganztägig erfolgen. Natürlich kann man das Kind auch später bringen oder früher holen oder beides :-).

Und wenn wirklich alle Stricke reißen und man keinen Platz bekommt, gibt es eine andere Möglichkeit: Die berüchtigte Herdprämie

Was in Deutschland heiß diskutiert wurde, ist hier in Norwegen Realität. Nimmt dein Kind keinen Kindergartenplatz in Anspruch – sei es weil du keinen bekommen hast oder das Kind länger zu Hause lassen möchtest, bekommst du umgerechnet circa 800 Euro Unterstützung im Monat vom Staat.

Viele Eltern nutzen dieses Geld, um ihr Kind privat bei einer Tagesmutter unterzubringen oder verlängern die Elternzeit und haben so jedenfalls ein bisschen finanzielle Unterstützung.

Einziger Haken: Beide Elternteile müssen Norweger sein, mindesten 5 Jahre im Land gelebt haben oder EU Bürger sein. Die Betonung liegt auf «beide». Das schützt auf der einen Seite das System, für ein paar Norweger in Beziehungen mit Australiern, Asiaten, Amerikanern etc. ist dies natürlich ungerecht.

Für uns bedeutet es aber, dass nach dem 1. Geburtstag die Kinderbetreuung gesichert sein sollte – trotz Geburt im Dezember.
 

5) Last but not least – Work-Life-Balance ist nicht nur eine Floskel
Wenn wir nach unseren Arbeitszeiten gefragt werden, erzählt meine bessere Hälfte gerne als Anekdote, dass ich während der Elternzeit um 17.30 auf seinem Handy angerufen habe, um zu fragen, warum er noch nicht zu Hause ist.

Hallo? Was ist daran witzig? Normale Arbeitszeit ist bis 17 Uhr und sein Fußweg nach Hause beträgt 20 Minuten. Die Frage war also vollkommen berechtigt.

Aber nein, nun einmal im Ernst. Gerade in der Anfangszeit der Elternzeit war ich so viele Male froh, dass die Work-Life Balance es in Norwegen Familien wirklich einfacher macht. Insbesondere neugebackenen Müttern, die mit spitzen Ohren lauschen, wann der Schlüssel in der Tür umgedreht wird.

In meinem Job z.B. zählt die Zeit nach 18 Uhr als Überstunden und du kannst auf Kosten der Firma über Foodora essen bestellen. Ich kann gar nicht sagen, wie das genau funktioniert, denn spätestens um 17 Uhr war ich nicht aus dem Büro sondern bereits zu Hause.

Mit Freunden reden wir häufig darüber, ob wir wohl jemals wieder außerhalb Norwegens arbeiten können oder uns dieses lasche System für immer ruiniert hat?!
 
 
So…aber zurück zu 3). Da saßen wir dann und mussten eine Entscheidung treffen. Beförderung ja oder nein? Norwegen verlängern ja oder nein? 

Wir haben Pro und Kontra Listen geschrieben, sind verschiedene Szenarien durchgegangen. Haben drüber geschlafen, mit Familie und Freunden gesprochen und es mit Fahrradtouren und Strandbesuchen versucht kurzzeitig von uns zu schieben, um einen klaren Kopf zu behalten.

Am Ende fiel die Entscheidung dann dafür, das Angebot anzunehmen und unsere Zeit hier noch einmal zu verlängern. Die Gründe dafür sind oben beschrieben. Meine fünf Gründe, warum ich Norwegen hasse. Okay, es sind die Dinge, die uns gut an Norwegen gefallen und den Ausschlag gegeben haben. Aber es sind am Ende auch die Dinge, die fast 1.000 km zwischen mich und meine Familie und Freunde bringen. Grund genug also für ein wenig Ablehnung.

Nach 2-3 Jahren wird es aber dann kein «eigentlich» geben. Das musste manN mir versprechen. Aber wer weiß das «eigentlich» schon???

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Der flüchtige König in der deutschen Behörden Matrix

12/5/2017

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So, da bin ich wieder. Quasi zurück aus der Babypause. Mehr oder weniger. Die letzten Wochen standen erst einmal andere Dinge auf dem Plan und der Blog rückte in den Hintergrund. Wobei die letzte Zeit aber so Ereignisreich war, dass es jetzt förmlich aus mir herausplatzt.  

Der kleine König von Norwegen hat definitiv deutsche Gene, wodurch Pünktlichkeit groß geschrieben wird. Exakt am errechneten Termin erschien er auf der Bildfläche. Wie es sich für einen König gehört mit viel Tammtamm und Trommelwirbel zuvor. Wer wünscht sich nicht tagelang Wehen zu haben??? 

Wie schon die Schwangerschaft wurden auch die ersten Geburtszeichen sehr entspannt gesehen. Unsere gefühlte Standleitung zum Krankenhaus war keine so große Hilfe. Immer wieder wurden wir vertröstet, dass wir noch nicht kommen könnten. Selbst nach dem Platzen der Fruchtblase sollte ich bitte noch acht Stunden warten und erst dann ins Krankenhaus kommen. Sechs Stunden später war dann aber nicht nur meine Fruchtblase sondern auch mein Kragen geplatzt und wir fuhren los.  

Die erste Untersuchung wurde von einer Trainings Hebamme durchgeführt – sie war wie ich ikke norsk dafür griechisch. Und meine erste Horrorvorstellung erfüllte sich leider direkt: Ihr Englisch war nicht gut!!! Ihr Norwegisch leider auch nicht.

Zwischen Wehe 389283921839201 und 389283921839202 hielt ich es nicht mehr aus, Englisch in Zeitlupe zu sprechen und
begann auf Norwegisch mit ihr zu reden. In unserem Wehen-Smalltalk konnte ich dann feststellen, dass ihr Niveau geringer war als meins. Ich musste wirklich an mich halten, um weiter freundlich zu bleiben. 


Gott sei Dank wurde von ihr aber nur die Erstuntersuchung durchgeführt. Dennoch finde ich, dass Norwegisch sprechen unter Wehen gleich zu setzen sein sollte mit dem Bestehen des Bergen-Tests. Könnte ich vielleicht in meinen Lebenslauf unter Sprachkenntnisse aufnehmen. Deutsch: Muttersprache, Englisch: fließend, Norwegisch: auch unter Wehen möglich.  
 
Ich springe nun einmal unendlich viele Wehen weiter und schwupps ist der kleine König auf der Welt. Ab da ging der Spass ja erst richtig los.  


Es gibt ein paar wichtige Dinge, die man über  das Thema Baby in Norwegen wissen sollte. Aber bevor ich anfange: Es ist mein erstes Kind und ich habe keinerlei  persönlichen Vergleich zu Deutschland 
  
Norwegen ist kalt, teuer und dunkel

Das Thema hatten wir ja bereits schon einmal (EINMAL? Unendliche Male). Kalt, teuer, dunkel waren die häufigsten Bemerkungen, die ich zu hören bekommen habe bei unserem Umzug nach Oslo. Nun kann ich aber sagen, dass diese Aussagen nicht ganz zutreffen. Dunkel… ja… so war es leider auch diesen Winter. Kalt, naja… einen richtigen Winter kann man das dieses Jahr nicht nennen, worüber ich aber nicht traurig war. Aaaaaber das Thema teuer. Ich bitte um einen Trommelwirbel, denn – man glaubt es nicht – aber Windeln sind WEITAUS günstiger in Norwegen. Etwas perplex stand ich vorm Windelregal in Deutschland bei meinem ersten Heimatbesuch. Da sollte unsere Windelmarke hier doch glatt fast das doppelte kosten.  

Fürs nächste Mal, weiss ich Bescheid. Dann kommen die Windeln aus Norwegen mit nach Deutschland und auf dem Rückflug habe ich Platz für Käse und Schokolade. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.  
  
Stillen oder nicht stillen… das ist KEINE Frage! 

Solltest du in der Öffentlichkeit zugeben, dass du nicht stillst oder auch nicht stillen willst, könntest du auch sagen, dass du in deiner Freizeit am liebsten kleine Katzenbabys tötest. Das ist quasi ebenso hoch angesehen. Gott sei Danke stille ich und wurde damit nicht zum sozialen Außenseiter. Ich laufe ja bereits kein Ski, was ebenfalls einer Todsünde gleichkommt.  

Aber dennoch war ich überrascht, als mich die «Breastfeeding Front» im Krankenhaus nach der Geburt hart traf. Nie hatte ich formuliert, dass ich nicht stillen will, weswegen es mich umso mehr verwundertet, wie häufig die “Breast is best” Fahnen geschwungen wurden.  

Auch als ich unsere Nachbarin das erste Mal mit Baby auf dem Flur traf, war ich zunächst sprachlos, dass ihre zweite Frage direkt war, ob ich stillen würde oder nicht.  Wo waren die Nachbarn, die noch nicht einmal grüßten, wenn man sie brauchte??

Kein Dr. Stephan Frank für Kassenpatientinnen…

Was ich über das norwegische Gesundheitssystem bisher gesagt habe, muss ich übrigens zurücknehmen. Das System ist wirklich toll…. für mich… denn ich bin über meinen Arbeitgeber privat versichert.  Das hatte ich bis vor der Geburt kaum in Anspruch genommen, aber nun umso mehr.  

Plötzlich stehen Dir alle Tore offen. Mit Kusshand wird man in kürzester Zeit in jeder Privatklinik genommen. Als normaler Patient wartet man sonst gerne mehrere Wochen auf Termine beim Spezialisten. Und so kam ich dann auch in den unglaublichen Genuss endlich einmal eine Gynäkologin treffen zu dürfen. 

Der Check Up sechs Wochen nach der Geburt wird, ihr könnt es euch wahrscheinlich denken, eigentlich vom Hausarzt gemacht. Aus Erzählungen anderer konnte ich erfahren, dass das Wort Check Up teilweise etwas übertrieben ist.  

Smalltalk trifft es wohl eher.  Da fragt der Arzt in ein paar Fällen, wie es einem geht und sofern man sich nicht beschwert, darf man wenige Minuten später wieder gehen. Abstrich, Ultraschall… ach… das ist für Anfänger. So eine Nachuntersuchung geht auch so ganz ohne Berührung bei den Wikingern. 

Aber wie gesagt, dass Thema Geburt und Schwangerschaft wird hier in Norwegen sehr natürlich gesehen, wo wir direkt bei nächsten Thema sind.  
  
Hart wie Stahl

Rückbildung nach der Geburt. Man ist da als Ausländer in Norwegen auch wirklich im Nachteil. Denn anscheinend sind die norwegischen Frauen mit einem Beckenboden aus Stahl gesegnet, der sich nur für die Geburt kurz öffnet. Rückbildungskurse gibt es nicht. Nada! Ingeting! Nix! Nothing!  Nicht privat und nicht über die Kasse.

Das einzige Angebot sind Yogakurse, wo das Thema leicht mit angeschnitten wird. Aber das
wars. Ansonsten beginnen die Frauen ihr normales Training sechs Wochen nach der Geburt.

Neben den Absatzzahlen von
Blondiermittel sowie Selbstbräunungscreme bzw. Spraytan, hätte ich gerne auch einmal Einsicht in die Verkaufszahlen von Tena in Norwegen.  


Immer diese Flüchtlinge…

Als Ausländer darf man sich dann aber auch noch mit anderen Themen kurz nach der Geburt beschäftigen. Mit einem Reisepass-losem Baby ist man quasi erst einmal gefangen in Norwegen.

Deswegen war der erste Schritt nach nur 3 Wochen der Reisepass und das biometrische Foto dazu. Leider gibt es für Babys die gleichen Vorgaben wie für Erwachsene, durch die wir kurzzeitig echt ein paar graue Haare bekommen haben. (Wir haben uns übrigens zunächst nur für den deutschen Pass entschieden, da hier die Wartezeit quasi nur wenige Minuten beträgt. Wogegen die Engländer mehrere Wochen brauchen. Mal davon abgesehen, dass der deutsche Pass nach Brexit wahrscheinlich zunächst mehr Vorteile hat.
Keine Sorge… Wir – deine kleine EU Familie – warten auf dich direkt hinter der Reisepasskontrolle, Papa!) 


Mit unglaublich vielen Unterlagen (sogar einer Meldebescheinigung vom kleinen König – japp… schon ungewöhnlich, dass ein drei Wochen altes Baby in der gleichen Adresse wie seine Eltern gemeldet ist) mussten wir alle gemeinsam in der Botschaft vorstellig werden, um den Reisepass aka das Ticket zur Freiheit abzuholen.  

Positiv überrascht war ich, dass man auch in Norwegen nicht auf den deutschen Amt-Charme verzichten muss. In der schönen Villa im Herzen von Oslo fühlt man sich beim Eintreten direkt wie in jedem beliebigen deutschen Amt. Als man uns kurz warten ließ, rätselten wir, ob die Möbel wohl aus Deutschland überführt wurden oder wir uns in der deutschen Behörden Matrix befinden.  

Nur weitaus freundlicher und hilfsbereiter sind sie in der deutschen Botschaft als in jedem Einwohnermeldeamt in good old Germany. Sodass wir auch noch sehr spontan einen Termin bekommen haben, obwohl eigentlich alles ausgebucht war.   

Stolz wie Oskar, dass ich mich im Wochenbett durch den ganzen Papierkram gewühlt habe, dachte ich, jetzt weiss ich alles. Aber nein, zu früh gefreut.  

Nach nun mehr als 4 Monaten nach Geburt, habe ich durch einen Zufall erfahren, dass der Papierkram noch nicht vorbei ist und wir den König noch offiziell bei der norwegischen Ausländerbehörde melden müssen.

Trotz norwegischer Personennummer, Meldebescheinigung, Geburtsurkunde und Krankenversicherung ist der kleine Mann wohl gerade noch ein illegaler Immigrant.

Und da soll sich noch einmal jemand beschweren, dass Deutschland zu bürokratisch ist bzw. das
Erfassungssystem der Flüchtlinge nicht funktioniert.

Wobei streng genommen, sollte der König im Moment noch ein Touristen Visum haben. Aber wer weiss. Die Mühlen der Behörden sind undurchschaubar.  Wahrscheinlich wird er zeitnah als Windelflüchtling offiziell gesucht. Nur gekommen, um von den billigen Windelpreisen zu profitieren! Und das sind meist die schlimmsten!

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Warum kompliziert, wenn's auch einfach geht?

15/12/2016

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Das Jahr nähert sich langsam dem Ende und hoffentlich etwas schneller meine Schwangerschaft (39 + 3 und ich zähle jede Minute). Den heiligen Gral des Mutterschutzes habe ich seit etwas über zwei Wochen erreicht und ich muss zugeben, es wurde auch Zeit.

In Norwegen sind drei Wochen Mutterschutz vor Termin normal - wobei man sagen muss, dass viele Frauen auch vorher krankgeschrieben werden. Gearbeitet habe ich bis zum Ende – auf den letzten Metern dann aber «nur» noch zu 80%. Mit offizieller Krankschreibung vom Arzt gleicht das Arbeitsamt (NAV) die Stunden aus, sodass kein Lohnausfall entsteht.


Dennoch fand ich die letzten Tage im Büro mit dickem Bauch wirklich anstrengend. Drei Wochen fühlen sich dann nach nicht sehr viel an.


Kurz bevor ich die Zielgerade des Mutterschutzes erreicht hatte, kam das Thema Elternzeit und die beiden Varianten von 80% Bezahlung für 59 Wochen oder 100% für 49 Wochen bei uns noch einmal auf den Tisch. Eigentlich hatten wir uns auf die 80% Variante geeignet, da wir gerne die längst mögliche Zeit mit dem kleinen König von Norwegen verbringen möchten.

Als wir die beiden Szenarien dann aber einmal hinsichtlich der Gesamtauszahlung verglichen (mein Element: Tabellen, Übersichten und Co....hmmmmm) fiel uns auf, dass selbst wenn wir unbezahlten Urlaub nehmen, um auf 59 Wochen zu kommen, die 100% Variante lukrativer war.

Der Haken an der Sache: Ich hatte doch schon alle Unterlagen eingereicht – sowohl beim norwegischen Arbeitsamt (NAV) als auch bei meiner Arbeit. Alles war genehmigt und abgeschlossen. Jetzt – eine Woche vor dem offiziellen Beginn des Mutterschutzes alles zu ändern – mir schwante Böses.

Vielleicht bin ich durch das letzte Jahr und den Stress mit dem deutschen Arbeitsamt sowie dem Formular PD U2 ein gebranntes Kind und ging zu negativ an die Sache heran. Aber die Aussicht jetzt wieder irgendwelche Behördengänge zu unternehmen und zu erfragen, ob man nicht einfach kurz vorher alles noch einmal ändern kann, war so ansprechend wie das Geländer einer öffentlichen Rolltreppe abzulecken.


Aber nun gut – die Verlockung des Geldes überwog dann doch und so wagte ich mich am nächsten morgen an das Thema.

Mein guter Freund auf den Seiten von NAV ist der Online Chat. Hier kann ich jedenfalls keine genervten Untertöne hören, wenn meine Startfrage ist: Kan jeg snakke på engelsk? (Kann ich Englisch sprechen?)


Während ich also beim Frühstück saß und herzhaft in mein Brötchen aus der guten Backstube Norway (gegründet von Deutschen in diesem Sommer und ratet wer Stammgast ist!) baß, chattete ich mit Lene und erklärte ihr kurz den Sachverhalt.

Sie antwortete recht zügig, dass wir die Auszahlung gerne auf 100% ändern können und sendete mir einen Link, wo ich mein Anliegen einmal eintragen sollte und dann an NAV senden könnte. Herrlich!

Ich klickte auf den Link, hinter dem sich ein super simples Eingabefeld verbarg, wo ich schnell unser Anliegen skizzierte.


24h Stunden später erhielt ich eine Nachricht per Email, dass mein Antrag an meinen Sachbearbeiter weitergeleitet wurde. Ich konnte mein Glück nicht glauben.

In Deutschland hätte ich dafür wahrscheinlich zig Formblätter ausfüllen und mit
fünf verschiedenen Ansprechpartner sprechen müssen, bei denen man sich latent fragt, ob sie einfach nur ihren Job hassen oder Menschen prinzipiell – wahlweise vielleicht auch beides.


Wenige Tage danach erhielt ich eine SMS von NAV, dass mein Deckungsgrad geändert wurde, die Bestätigung bekäme ich zeitnah mit der Post. Schmunzelnd saß ich vor meinem Handy. Eine SMS vom Arbeitsamt, in der mir eine offizielle Zahlungsänderung bestätigt wurde, irgendwie unvorstellbar in Deutschland.
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Allen in allem hatte es mich weniger als 30 Minuten gekostet, den Prozentsatz zu ändern. Ich musste weder das Haus verlassen (mit dicker Kugel eine enorme Erleichterung), noch bei irgendwelchen Hotlines anrufen.

Wenn wir irgendwann wieder zurück nach Deutschland gehen, wird der Kulturschock für mich, wenn es um diese Sachen geht, wahrscheinlich sehr groß sein. Am besten gehe ich nach jedem Amtstermin in Deutschland einmal in den Supermarkt und bewundere die Preise und die Auswahl, um mich wieder zu besänftigen.

Vielleicht ist das System auch so einfach, weil es auch eher dem Naturell des Norwegers entspricht. Eine SMS und ein Online Chat bedeuten für die andere Seite ja auch weniger Kontakt mit Menschen. Vielleicht ist es am Ende also einfach eine Win-Win Situation für beide Parteien.

Ansonsten waren die letzten Wochen der Schwangerschaft mit sehr viel Vorbereitungen verbunden und auch mit einigen Ausgaben – die erste Babyausstattung stand an. Ähnlich wie die Käsetheke ist auch die Auswahl an Kinderwagenmarken in Norwegen recht gering.

So sehr ich die Naturverbundenheit, den Sinn für Familie, Work-Life-Balance und die Einfachheit vieler Dinge in Norwegen wirklich ungemein schätze, so sehr ärgere ich mich häufig aber auch über den Markenwahn hier, wenn es um Handys, Kleidung, Elektrogeräte, Outdoorequipment und – wie ich lernen durfte - auch Kinderwagen bzw. Kinderausstattung allgemein geht. Höher, schneller weiter. Es muss irgendwie (fast) immer das Beste vom Besten sein.

Wer mich kennt, weiss wie unwichtig mir Statussymbole sind und ich in Sachen neuster Technik immer hinterher hinke, da mein Handy, MP3-Player oder ähnliches doch noch funktioniert.


Hier in Oslo hatten wir hinsichtlich Kinderwagen überwiegend die Auswahl zwischen Porsche, Ferrari und Rolls Royce. Dazwischen gesellte sich dann mal ein Volkswagen. Opel oder Kia? Fehlanzeige. Irgendwie gabs nur teuer oder ein paar wenige Modelle aus der Mittelklasse. Wer wirklich Geld sparen will, kauft gebraucht oder im Ausland.

Bevor wir überhaupt einen Fuß über die Schwelle des Geschäfts setzten, hatten wir bereits unsere Schmerzgrenze hinsichtlich Kinderwagenpreise besprochen und merkten im Laden recht schnell, dass damit 70% des Angebots wegfiel.

Versuchen wir es positiv zu sehen. Weniger Auswahl macht die Entscheidung hoffentlich einfacher.


Zaghaft rollte ich den «Volkswagen» durch den Laden und fragte mich, ob ich bereits jetzt eine Rabenmutter sei. Ohne Kinderwagen, dafür mit Bedenkzeit verließen wir das Geschäft und trabten heim. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich starrte die Frauen und Männer mit Kinderwagen in den Straßen an und merkte erst jetzt mit dem neuen Kinderaustattungsfachwissen, dass wirklich ein Großteil der Leute ihre Kinder in den Edelkarosserien umherschoben.


Zu Hause begann dann der Online Vergleich, andere deutsche Muttis wohnhaft in Oslo wurden auf Facebook befragt (die mich nur zu gut verstehen konnten… puuh… also vielleicht doch keine Rabenmutter) und es wurde geschaut, was der deutsche Markt zu bieten hat. Babyläden in Kiel sind anscheinend schon geschult für Eltern aus Oslo, die für einen Kurzbesuch auf der Fähre vorbeikommen und dann auf dem Rückweg einen Kinderwagen mitnehmen.

Nach viel hin und her entschieden wir uns am Ende aber für den Volkswagen aus dem norwegischen Babygeschäft. Der Aufwand aus Deutschland zu bestellen, lohnte nicht im Vergleich zu Kostenersparnis. Sollte dann mal etwas kaputt sein, müssten wir uns wieder überlegen, wie man Ersatzteile nach Norwegen bekommt.

Ich versuchte es einfach wieder positiv zu sehen.
Da ich weder iPhone, noch top Outdoorequipment oder sonnengebräunten Teint aus der Tube im tiefsten Winter habe, komplementiert der Kinderwagen vielleicht mein "durchschnittliches" Erscheinungsbild.


Das gesparte Geld wird dann einfach später für etwas sinnvolleres genutzt, wie zum Beispiel Therapiesitzungen aufgrund schwerer psychischer Schäden durch die Wahl der falschen Kinderwagenmarke – gerade die ersten Monate sollen ja sehr prägend sein.

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Winter is coming! Zeit die Schäfchen zu zählen!

1/11/2016

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Jetzt ist bereits ein wenig Zeit vergangen seit dem letzten Post und der Bauch ist kugelrund. Dieses «Schwanger sein» habe ich mir aber doch irgendwie einfacher vorgestellt. Aber gerade die ersten vier bis fünf Monate waren auf gut Deutsch zum Kotzen. Entschuldigt, aber der Ausdruck beschreibt es treffend.

So
blieb On My NorWay die letzten Wochen ein wenig auf der Strecke – zusammen mit ein paar anderen Dingen. 

Aber ich bin um so manche Erfahrung reicher. Mit dickem Bauch lernt man das Land noch einmal ganz anders kennen.  

Aber fangen wir vielleicht einmal vorne an. Ganz am Anfang stand bei mir, da es mir nicht gut ging, meinen Vorgesetzten zu informieren, warum ich erneut Home-Office bevorzuge. Die Reaktion von ihm und dann ein paar Wochen später auch von meinen Kollegen waren durchweg positiv. Kein komischer Blick, kein doofer Kommentar, dass ich absehbarer Zukunft ja ausfallen würde. Die ganze Sache wurde sehr entspannt gesehen und alle freuten sich mit mir.  

Allgemein muss man sagen, dass sich durch die Schwangerschaft ein paar neue Türen geöffnet haben. Plötzlich gibt es etwas, das quasi keine Nationalität kennt. Da gefühlt hier jeder ein Kind hat (neben der Eigentumswohnung, aber das ist ein anderes Thema), gibt es plötzlich eine Sache, die mögliche kulturelle Grenzen überwindet und für genug Gesprächsstoff sorgt.  

Und auch die scheuen Norweger, die gerne immer einen Sitzplatz zwischen ihnen und dir im Bus freilassen oder sich zu Tode anschweigen im Fahrstuhl, strecken doch hin und wieder die Hand aus und streichen über deine Kugel. Was ich – egal welche Nationalität man hat – immer noch befremdlich befinde.  

Ähnlich befremdlich war für mich auch das Gesundheitssystem, wenn es um das Thema Schwangerschaft geht.  

Wie im letzten Post bereits gesagt, fällt die Eigenbeteiligung beim Arzt weg, wenn du in anderen Umständen bist. Soweit so gut...! So richtig häufig sieht man den Arzt aber irgendwie nicht und das System zu durchschauen, hat mich ein wenig Zeit gekostet. 

Die Vorsorgeuntersuchungen (die weitaus "basischer" bzw. “natürlicher” sind als in Deutschland) werden von deiner Hebamme und deinem Hausarzt gemacht. "Deine" Hebamme ist vielleicht etwas übertrieben. Die kannst du dir leider nicht wirklich selber aussuchen, sie kommt nicht zu dir nach Hause und ist schon gar nicht bei der Geburt dabei.   

Jeder Stadtteil hat eine «Gesundheitsstation» (wenn man das mal wörtlich übersetzt), wo einem eine Hebamme zugeteilt wird. In gewissen Wochen macht sie die Untersuchung, in anderen Wochen deine Hausarzt. Persönlich fand ich das nicht ideal, da recht wenig Austausch zwischen den beiden Parteien stattfindet. Vieles muss man doppelt erklären und oft fand ich die Verantwortung auf mich übertragen. Und ich hab in meinem Medizinstudium doch einfach nicht so richtig aufgepasst.  

Unser erster Besuch bei der Hebamme war ein bisschen ein Griff ins Klo. Die eigentliche Hebamme war krank und ihre Vertretung sprach nur sehr wenig Englisch. Der Termin bestand also aus einem Mix aus Englisch und Norwegisch und ganz viel Schweigen.  Und ich kann nicht bestätigen, dass Schweigen Gold ist.
 
Mein Highlight war, als eine Antwort auf Norwegisch von uns wirklich nicht verstanden wurde und auf Englisch zu kompliziert für sie war, dass ich die Thematik mal googlen sollte. Så hyggelig, ikke sant? 

Ein wenig ähnlich war es bei der Ultraschalluntersuchung. In Norwegen bekommt man genau eine. In der 18. Schwangerschaftswoche geht man ins Krankenhaus, in dem man auch entbinden möchte, und die Gesundheit (und Geschlecht wenn gewünscht) wird einmal gecheckt. Ultraschall-Untersuchungen früher kannst du machen… und privat bezahlen. Grundsätzlich werden alle Maßnahmen, die von der Allgemeinheit bezahlt werden, wirklich auf das Minimum reduziert.  

Da wir aber schon gerne vorher einmal schauen wollten, ob alles ok ist, sind wir bereits vorab in eine Privatklinik gegangen und haben den Ultraschall aus eigener Tasche bezahlt.  

Die Ärztin dort kam aus dem Osten Europas, was meist bedeutet, dass ihr Norwegisch sehr gut ist, ihr Englisch aber leider nicht. Im Vergleich zur Hebamme haben wir uns hier aber wirklich wacker geschlagen. Von Vorteil ist dann aber auch, dass die Gliedmaßen im norwegischen sehr ähnlich zu den deutschen Bezeichnungen sind und das Gespräch – da Baby gesund – nun nicht sehr medizinisch war.  

Beim “kostenlosen” Ultraschall hatten wir aber Glück, dass die Ärztin Englisch sprach. Aber ansonsten fand ich das ganze Prozedere relativ unspektakulär. Wir wurden nach dem Ultraschall gefragt, ob wir noch irgendwas wissen wollen. Schweigend saßen wir da.  

Wir kannten die Ärztin nicht. Alle Informationen über mich hatte sie aus meinem Mutterpass (in Norwegen eine wenig aufregende DIN A4 Seite aus sehr dünnem Pauspapier, was du zu jedem Termin mitschleppst – das Wort Pass ist eher fehl am Platz hier). Absprachen zwischen ihr, meiner Hebamme oder dem Hausarzt gibt es ansonsten nicht. 

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Der norwegische "Mutterpass"
Zusammengefasst: Die Person mir gegenüber kannte mich kaum und ich sie gar nicht - und ich werde sie sehr wahrscheinlich auch nie wiedersehen. 

Da dies mein erstes Kind ist und dann auch noch in einem fremden Land, weiss ich nicht so richtig, was ich erwarten soll. Ergo: Ich wusste nicht, was ich fragen sollte. Ich habe auch keine Fragen zur Relativitätstheorie, da ich da ähnlich wenig Erfahrung habe.  

Meine bessere, englische Hälfte brachte noch eine recht pragmatische Männerfrage hervor. Wo man denn am besten parken könnte. Leise kicherte ich in mich hinein.  Wobei die Antwort doch recht hilfreich war für den “Ernstfall”.  

Apropos Thema “Ernstfall”. Das Thema Nachname ist auch interessant. Hier gelten sowohl deutsches als englisches Recht für uns, was natürlich nicht konform ist.
Und jetzt ratet mal, welches strenger ist. Die Engländer erlauben dir sogar den Nachnamen komplett frei zu wählen.
Ich frage mich, ob der deutsche Staat «König von Norwegen» durchgehen lassen würde.
[Anmerkung: die Norwegische Staatsbürgerschaft wird der kleine König nicht haben. Eine Geburt in Norwegen reicht dafür nicht.]
 

Hier gibt es aber auch wieder einige Tücken, die man gerade als unverheiratetes Paar berücksichtigen muss. Ganz viel langweilige deutsche bzw. bi-nationale Bürokratie. Aber im worst case ist dein Kind in Deutschland vaterlos gemeldet, da du es einfach nicht besser wusstet. Wo wir wieder beim Thema sind: Welche Fragen soll ich stellen, wenn ich nicht weiss, was mich erwartet.  

Medizinische Fragen googlen, beim Ultraschall auch mit Händen und Füssen sprechen, das sind Wochen später Schenkelklopfer. Aber ich muss zugeben, es zerrt schon oft an einem.  

Wie oft höre ich, dass wir ja Glück haben, dass in Norwegen der Standard hinsichtlich der Englischen Sprache so hoch ist. Aber es stimmt leider nicht immer und irgendwie ziehe ich die Ausnahmen auch magisch an.

Gerade bei der Gesundheitsvorsorge komme ich mir oft vor wie der Patient 2. Klasse. Auch wenn dein Gegenüber Englisch spricht, eine persönliche Bindung entwickelt sich einfach viel schwerer und mehr als Standard bekommt man somit irgendwie nicht.  

Das gepaart mit einer emotionalen Schwangeren, die quasi von «nah am Wasser» direkt «ins Wasser» umgezogen ist, war nicht immer eine gute Kombi.  

Aber man lernt sich auch hier zu behelfen und die beste Entdeckung des Jahres war für mich die Facebook Gruppe der internationalen Mütter in Oslo.  


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Eine Ort, wo es gemeine Facebook Kommentare nicht gibt und jede Frage in irgendeiner Art und Weise beantwortet wird. Die internationalen Mutties helfen sich gegenseitig mit ihren eigenen Erfahrungen, tauschen Tipps aus und es ist auch ein reger Marktplatz hinsichtlich gebrauchter TrippTrapp Stühle und Emmaljunga Kinderwagen.  

Während man in der Facebook Gruppe “Auswandern nach Norwegen” recht sicher sein kann, dass man oft mindestens eine Pöbel bzw. Klugschei*** Antwort auf seine Frage bekommt (Deutsche unter sich halt), ist die Muttergruppe der letzte friedliche Ort in den weiten des World Wide Web.  

Und nur durchs «Mitlesen» der Fragen und Antworten habe ich bereits sehr viel gelernt und wüsste beim nächsten Ultraschall mehr zu fragen. Aber es gibt ja keinen nächsten Ultraschall.  

Nur eine Sache beunruhigt mich ein wenig. Das Thema Winter und die richtige Kleidung für die Kleinen ist ein hoch frequentiertes Thema in der Gruppe. Und die Lösung für den Winter ist eines: Wolle, Wolle, Wolle! 

Wollkleidung geht weg wie geschnitten Brot und anscheinend wird kein Kind ohne Wollkomplettausstattung aus dem Haus gelassen. Ich hatte schon überlegt, ein Schaf anzuschaffen und mich mit Wollhandel selbstständig zu machen.  


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Bei so niedlichen Schafen lohnt sich die Selbstständigkeit doppelt!
Dennoch frage ich mich, ob man ohne Wollkleidung auf der Straße als schlechte Eltern ausgebuht wird? Erschwerend kommt hinzu, dass der kleine “König von Norwegen” nicht im Emmaljunga oder Bugaboo Kinderwagen geschoben wird. Oh, oh!!! Es bleibt abzuwarten.   

Nicht mehr lange und ich kann es ausprobieren. Auch meine Zeit im Büro nähert sich somit dem Ende. Mutterschutz beginnt hier 3 Wochen vor Geburtstermin und die irritierten Gesichter meiner Freunde mit Kind in Deutschland, kann ich jetzt verstehen. Die letzten Wochen sind wirklich ein wenig beschwerlich und ich sehne den Mutterschutz inklusive Couch herbei.  

Nach der Geburt warten dann 56 Wochen Elternzeit auf uns, von denen 10 Wochen vom Vater genommen werden müssen. Außerdem haben wir dann noch Anspruch auf unseren bezahlten Urlaub. Ihr erinnert euch? Den habe ich ja im Vorjahr quasi angespart.  

Dass Väter hier auch mehr Zeit nehmen als die 10 Wochen ist recht normal. Der Anblick von Papis mit Emmaljunga Kinderwagen in der Stadt oder dem Jogger Model beim Work-Out ist relativ normal. Auch schiebt hier der Mann gerne mal, wenn beide Elternteile zusammen unterwegs sind. Gleichberechtigung ist hier definitiv besser angekommen als in anderen Ländern südlicher.  

Hinsichtlich der Bezahlung ist die Elternzeit wirklich recht nett – muss man zugeben. Bei 59 Wochen (inkl. Mutterschutz) bekommst du 80% deines Gehaltes weiterhin ausbezahlt. Du kannst aber auch 49 Wochen Elternzeit nehmen und bekommst dann 100% deines Gehaltes, aber nie mehr als 6G. G steht für Grunnbeløpet und variiert jedes Jahr – je nach wirtschaftlichen Einflüssen. Dieses Jahr sind 6G 46.290 NOK pro Monat, was ungefähr 5.100 Euro entspricht. 

Das klingt im Vergleich zu Deutschland mit einer Deckelung von 1.800 Euro nach sehr viel Geld. Man sollte hier aber nicht vergessen, dass Wollkleidung teuer ist bzw. das Halten von Merinoschafen in der Stadt.                           

  Don’t forget: Winter is coming!
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Eine orthopädische Einlage in Norwegen will man nicht sein!

26/8/2016

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So… nun aber! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Das Thema Gesundheitssystem wartet noch immer.  

Mein erster indirekter Kontakt mit dem Thema war bei meiner Meldung hier in Norwegen. Leider ein eher böses Erwachen. Man hatte uns vorher informiert, dass ich als EU Bürger sofort Zugang zur Krankenversicherung hätte. Pustekuchen. Da stand ich wie Ochs vorm Berg vor einem Jahr, als ich mich als «Job Seeker» in Norwegen gemeldet hatte und mir keine Fødselnummer gegeben wurde, die der erste Schritt ist, um Zugang zum System zu bekommen.  

Ehrlicher Weise muss man hier aber sagen, dass das deutsche System es aber auch schwieriger gemacht hat. Meine gesetzliche Versicherung hatte ich gekündigt, da ich zum einen in Deutschland abgemeldet war und ich ja auch dachte, ich hätte Zugang in Norwegen.  Systeme wie in England und Norwegen sind hinsichtlich dessen einfacher, da man als Staatsbürger direkt versichert ist.  

Die Mitarbeiterin in der Anmeldestelle schaute mich leicht verstört an, als ich schockiert reagierte über meine mangelnde Versicherung und sagte dann die beruhigenden Worte, die ich wohl nie vergessen werde: Also, falls du einen Unfall haben solltest, würde ein Krankenwagen kommen und dir helfen.  

Herrlich! Vielen Dank! Ich werde also nicht blutend am Boden liegen gelassen? Sehr freundlich! Ich fühle mich wirklich willkommen geheißen. Gibt es eine Mindestlitermenge an Blut, die ich vorher verlieren muss??? 
Wie gut, dass das alles gefühlt in weiter Ferne liegt und ich mit dem Job dann auch meine Versicherung erhalten habe.  

Die ersten richtigen Kontakte mit dem Gesundheitssystem waren schon etwas gewöhnungsbedürftig. Hier in Norwegen sucht man sich seinen Hausarzt in einer großen Liste online aus. Man kann dabei nicht jeden Arzt wählen, sondern nur wo noch die freien Plätze, die zur Verfügung stehen.
 

Und Augen auf bei der Hausarztwahl! Der Hausarzt ist hier der erste Bezugspunkt für alles. Termine beim Facharzt einfach selber machen? Gerne… aber dann darf man auch privat zahlen. Der Hausarzt hat also immer den ersten Blick auf dich und überweist dich ggf.  
 
Wichtig zu wissen, insbesondere für Frauen. Denn der Frauenarzt wird hier nur im Falle einer Krankheit aufgesucht. Die Standarduntersuchungen macht hier ebenfalls der Hausarzt. 


Als ich also meinen Arzt in der Liste aussuchte, musste er einige Kriterien entsprechen. Am liebsten eine Frau (da der Hausarzt auch die Frauenarzt-Check Ups macht), nicht älter als circa 50 (um hoffentlich zu gewähren dass ich die Termine auf Englisch haben kann) und nicht zu weit weg von meiner Wohnung.
 

In dem Online System wurde mir angezeigt, dass ich dieses Jahr drei Mal den Arzt wechseln dürfte. Musste ich aber Gott sei Dank nicht. Meine Ärztin, die nur wenig älter ist als ich und sehr zentral ihre Praxis hat, war Gott sei Dank die richtige Wahl.  

Jeder Arztbesuch hier in Norwegen bedeutet übrigens eine Eigenbeteilung von 190 NOK, was ungef. 20 Euro entsprechen. [Ich muss nicht erwähnen, dass die “Praxisgebühr” ausschließlich mit Karten bezahlt werden kann, oder?]  
Einfach aus der Praxis laufen, wie ich es einmal geschafft habe, hilft übrigens nicht. Es war wirklich keine Absicht. Ich war einfach in Gedanken. Aber sie finden dich sowieso. Die Rechnung wird dir dann direkt nach Hause geschickt, zusammen mit der Mahngebühr.  

Der Eigenanteil ist aber gedeckelt. Wie eine Kollegin mir erklärte: Wenn du Krebs hast, bist du nicht direkt bankrott.  

Umweltschonend ist das Rezeptsystem. Elektronisch werden alle Apotheken über dein Rezept informiert und du kannst in der Apotheke deiner Wahl deine Medikamente abholen. Datenschutztechnisch wahrscheinlich unvorstellbar in Deutschland. 

In vielen Artikeln und Blogs, die ich bisher gelesen habe, wurde das norwegische System immer sehr gelobt. Häufig waren das aber amerikanische Verfasser. Aus deutscher Versicherungsnehmer-Sicht muss ich sagen, ist das System ok. In den Himmel loben würde ich es nicht.  

Man zahlt hier in Norwegen nur ca. 8% seines Lohns in die Krankenversicherung und alle sind gleichversichert. Das Meer aus unterschiedlichen Versicherungen gibt es nicht und auch nicht diese Zweiklassen-Gesellschaft. Private Versicherungen bestehen, aber halt nur als Zusatz. Was ich aber per se als positiv empfinde.  

Der Anteil vom Lohn ist also weitaus geringer als in Deutschland. Aber er kommt mit einem Preis. Vorsorgeuntersuchungen, wie wir sie aus Deutschland kennen (einmal im Jahr Frauenarzt, Zahnarzt, Hautscreening) gibt es hier sehr wenig. Der Zahnarzt wird auch nur bis zum 20. Lebensjahr von der Versicherung bezahlt. Danach ist dieser eine komplette Privatleistung. Weswegen mein alter Zahnarzt in Deutschland noch immer von mir Besuch bekommt. Ist am Ende billiger.  

Wenn du dich also glücklich schätzen kannst, dass du gesundheitlich lange in einem top Zustand bist, kommst du in Norge eigentlich recht günstig weg, billiger als in Deutschland. Hast du dann aber doch ein paar Zipperlein, könnte es je nachdem teurer werden. Insbesondere eine gründliche Zahnpflege kann den Geldbeutel hier sehr schonen. 

Zu spüren bekommen hat dies meine bessere Hälfte ebenfalls bereits. Ich als Sparfuchs habe natürlich – auch weil ich nicht wusste, was mich erwarten wird – noch einmal alles mitgenommen in Deutschland. Check-Up beim Zahnarzt, Einlagen beim Orthopäden, Vorsorge beim Frauenarzt und natürlich das Hautscreening. Ich wäre der geborene Schwabe.  

So organisiert war Monsieur natürlich nicht. Seine Einlagen ließ er sich lieber hier verschreiben. Großer Anfängerfehler. Es fühlte sich ein wenig nach Zeitreise an, was geschah, nachdem er die Überweisung vom Arzt hatte.  
Um einen Termin für den Abdruck zu bekommen, musste er erst einmal 3 Wochen warten.  

Warten ist hier eine großes Ding in Sachen Gesundheitssystem und hat noch einmal andere Dimensionen als in Deutschland (sei es der Abdruck für die Einlagen, der Termin beim Physiotherapeuten oder die Knie-OP). Er bekam dann per Post einen Brief mit dem Termin zugeschickt, wann er für die Abdrücke vorbeibeikommen müsste. Abdrücke scheinen hier eine extrem offizielle Sachen zu sein. Vielen Dank für die Einladung! Ich nehme gerne an und werde erscheinen! 

Durch das System in Deutschland verwöhnt, wollte mein “English boyfriend” direkt zwei Anfertigungen. Einmal für den Alltag und einmal für den Sport. In der Orthopädie wurde er schief angeschaut. Ob er sich wirklich sicher sei. Ein paar würde doch reichen und die halten ja auch 3-5 Jahre.  

Als nächstes wurde ihm der “Eigenanteil” verraten. Eigenanteil ist vielleicht das falsche Wort. Er musste die schlappen 3 000 NOK (310 EURO) für ein Paar nämlich komplett selber tragen. Gütiger Weise bekam er den schweren Gipsabdruck mit nach Hause, sodass die nächsten Einlagen minimal günstiger sein sollen. Diese sind aber ja auch angeblich erst in 3-5 Jahren wieder fällig. [Ich habe ein wenig Mitleid mit den norwegischen Einlagen. Ich weiss nicht, ob ich fünf Jahre lang jeden Tag unter den gleichen Füßen liegen möchte.] 

Dieser Abdruck schimmelt nun bei uns im Kleiderschrank rum, wird hin und wieder beim Aufräumen rausgeholt und sorgt aber immer wieder für große Lacher. Da hat sich die Investition von 3 000 Krönchen doch wirklich gelohnt. Ein Lachen ist doch unbezahlbar. 
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Gezeigt hat mir das System hier wieder einmal, dass – auch wenn das deutsche Gesundheitssystem bestimmt verbesserungswürdig ist – wir ruhig ein bisschen weniger meckern dürfen. Es hat seinen Grund, dass viele Auswanderer auch nach Jahren gewisse Check-Ups immer noch in Deutschland machen.
 

Bei Kindern sieht die Sache übrigens anders aus. Kinder sind kostenlos mitversichert und bekommen die Leistungen inklusive Zahnarzt bezahlt. Die Sache mit dem Eigenanteil ändert sich übrigens auch, sobald du schwanger bist. Dann kannst du quasi kostenlos aber hoffentlich nicht umsonst deinen Hausarzt besuchen.  

Hausarzt? Ohja… Hausarzt. Frauenärzte kümmern sich – wie gesagt – nur um «krankhafte» Dinge. Eine Schwangerschaft ist eine natürlich Sache und wird vom Hausarzt und Hebamme begleitet – ohne 190 NOK Eigenanteil.  
Die Sache ist sogar so natürlich in Norwegen, dass man den Hausarzt dann doch nicht so haeufig sieht, wie man vielleicht vermutet.  

Ich spreche hier aus Erfahrung. Seit gut fünf Monaten muss ich keinen Eigenanteil mehr bezahlen und lerne noch viele weitere Seiten von Norwegen kennen. So eine Schwangerschaft lässt dich nicht nur tiefer in das Gesundheitssystem eintauchen, sondern zeigt dir die Berufswelt, das Thema Kinderbetreuung sowie das Bildungssystem von einer ganz neuen Seite.  

Oder anders ausgedrückt: Neues Futter für On My norWay! :-)

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Grand oder nicht Grand! Das ist hier die Frage!

20/7/2016

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Eigentlich war mein Plan ja, dieses Mal etwas über das Gesundheitssystem hier zu schreiben. Aber das Thema vom letzten Mal «einfach mal weniger Jammern» hängt mir noch sehr nach. Wieder zurückgekehrt ist das ganze Thema, dass die Norweger doch vieles pragmatischer und vielleicht auch ein klein wenig romantischer sehen als wir Deutschen, als ich im Urlaub war. Wo? Na klar… in Norwegen! Eine Rundreise quer durchs Land stand an mit vielen Fjorden, Bergen und Schafen. Mit dem Auto ging es durch super unterschiedliche Landschaften und obwohl es Juni war, konnte ich noch sehr viel Schnee erblicken.  

Da wir alle Nächte im Hotel verbracht haben – sorry, Camping ist nicht so meins – "durften" wir dann auch viele Restaurants auf dem Weg testen. Meine Laune sank dabei allmählich. Irgendwann konnte ich die Rechnungen einfach nicht mehr ertragen. Jede “gut schmeckende” Mahlzeit lag pro Person bei circa 20 Euro aufwärts und ich will gar nicht erst die Getränke erwähnen. Das Geld rinnt nur so durch die Hände. Insbesondere in den kleineren Orten, die wirklich nur vom Tourismus und den anlegenden Kreuzfahrtschiffen leben. Ein klein wenig bankrott kamen wir also wieder zurück.  
 
Aber ich hatte in der Zeit auch ein neues Hobby für mich entdeckt. Hotelbewertungen lesen! Während meine bessere Hälfte mich im Auto kutschierte, las ich vergnügt die Bewertungen des auf uns wartenden Hotels. Um unsere Reserven nicht allzu sehr zu verprassen, haben wir natürlich günstigere Hotels ein wenig auswärts gesucht. Aber – um hier kein falsches Bild erwecken zu wollen – auch diese Hotels waren im Vergleich zu deutschen Preisen immer noch happig.  
 
Ein Hotel ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben und hat das Hobby für mich auch vorangetrieben. Es handelt sich hierbei um das Grand Hotel – was schon wirklich lange nicht mehr Grand ist. Circa 10km vor Ankunft fing ich an, mir auf Google einmal die Bewertungen genauer anzusehen. Es war quasi ein Feuerwerk an Wutausbrüchen, Sarkasmus und Hohn. Die Hotelbesucher aus aller Welt, waren sich recht einig: Ein Besuch lohnt nicht wirklich. Der Standard des Hotels war aus dem Jahr 1980 und seitdem wurde kein Finger krumm gemacht, damit das Hotel seinem Namen Ehre machen könnte.  

Leicht verunsichert erreichten wir unser “neues zu Hause” für die nächsten zwei Tage. Ich bin mir bewusst, dass meine Einstellung bestimmt leicht gefärbt war durch die gelesenen Bewertungen. Aber so oder so wäre das Grand Hotel nicht mein Lieblingshotel geworden. Die Lage: Traumhaft schön, direkt am Fjord. Und das ist leider auch schon alles positive, was ich sagen kann. Gefühlt hatte dieses Hotel schon lange aufgegeben und ich spreche hier nicht nur von der Ausstattung. Alles war einfach schlichtweg lieblos – es tat in der Seele weh.  

Zur persönlichen Erheiterung rief ich noch einmal die Online Bewertungen auf. Die Gesamtbewertung des Hotels war aber eigentlich gar nicht schlecht. Also… wer und warum hat hier so gute Noten verteilt. Ich scrollte mich durch die Sarkasmus- und Wutmitteilungen von Italienern, Spaniern, Deutschen und anderen Nationalitäten bis ich endlich auf die positive Bewertungen stieß.  

Diese hatten alle eins gemeinsam: Sie wurden von Norwegern geschrieben. Die Benotung war meist befriedigend bis gut. Ein Norweger vergab sogar 9 von 10 Punkten.  

Es wurde immer betont, wie gut die Lage sei. Traumhaft schön direkt am Fjord. Alles andere war da wohl Nebensache. Eine Person lobte sogar das gute Frühstück. Falls dieses Person, diesen Blog Eintrag liest, bitte melde dich. Ich würde dich gerne auf ein Frühstück einladen. Denn das Grand Hotel Frühstück kann man auch mit Fjord nicht schön reden.  
Oder vielleicht doch? Muss man dafür Norweger sein, um das richtig verstehen zu können?  

Ein wenig froh war ich ja, dass die «negativen» Bewertungen nicht nur von Deutschen geschrieben wurden. Aber irgendwie haben die Norweger eine andere Sichtweise – insbesondere wenn sich Mutter Natur mit einschleicht. 

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Auszug aus den Bewertungen! Sarkasmus gegen Optimismus!
Jetzt im Juli ist bei uns im Büro wieder gähnende Leere angesagt. Ein Großteil der Kollegen sind im Urlaub. Wenn ich mir den Urlaubsplan anschaue, wird mir ein wenig schlecht. Da wird sich kreuz und quer überschnitten. Jeder will im Juli freihaben und bekommt es auch genehmigt. Dass dann die Vertretung von der Vertretung auch nicht da ist… irrelevant! Das wird alles relaxter gesehen! Ich erinnere mich noch zu gut an die Kämpfe um die Urlaubstage im Sommer in meinen alten Jobs. Schnee von gestern.  

Viele meiner Kollegen nutzen den Juli, um Zeit in ihrer Hütte zu verbringen. Während meine Kollegin mir ihre Projekte übergab (auf die deutsche Urlaubsvertretung ist natürlich verlass), fragte ich sie ein wenig über ihren geplanten Urlaub aus. Die Kurzfassung war: Eine Woche Hütte, ohne Strom, ohne fließend Wasser. Dafür mit Plumpsklo und Campingkocher – und natürlich Blick auf den Fjord. Ich starrte sie entgeistert an. Ich brauche bestimmt keine 5 Sterne Luxus Suite (nehme sie aber natürlich auch gerne an, falls eine übrig ist), aber fließend Wasser, Strom und ein Klo habe ich schon gerne. Das ist in meiner kleinen Welt einfach nicht unbedingt Urlaub so ganz ohne (und wir leben hier ja nicht bei 30 Grad am Strand). Und so entgegnete ich ihr auch nur, dass ich gerade erleichtert bin, dass ich im Büro sein darf und nicht in der Hütte sein muss.  

Das Thema kam über den Tag noch häufiger auf und immer wieder wurde ich gegenüber anderen Kollegen rezitiert. Alle fanden den strom- und wasserlosen Hüttenurlaub natürlich total “hyggelig”.  

Ich erklärte mich mit den Worten, dass ich halt keine Norwegerin sei. Ich würde auch dem Grand Hotel eine schlechte Bewertung geben. Was ich in dem Moment natürlich nicht gesagt habe, weils ja keiner verstanden hätte. Den Braten fett gemacht  hätte es wohl nicht, denn ich wurde eh als leicht verrückt angesehen. 

Besagte Kollegin war aber nicht die einzige mit der “wir leben wie vor 100 Jahren Hütte”. Ich bekam noch mehr solcher Geschichten zu hören. Meist im Zusammenhang mit “Ich bin nicht erreichbar im Urlaub, da meine Hütte keinen Strom hat”. 

Aus dem Urlaub der Kollegin bekam ich dann natürlich ein Snapchat Bild zugeschickt mit dem Ausblick von ihrer Hütte. Ein türkisfarbener wunderschöner Fjord. Landschaftlich unglaublich beeindruckend. Das Plumpsklo und kein Strom vermiesten mir aber weiterhin den Eindruck. Das kann ich irgendwie nicht ausblenden. 

Die Norweger anscheinend aber schon. Ein Hotel nur nach der Lage zu beurteilen finde ich persönlich falsch oder jedenfalls nicht ausreichend. Aber bei den Norwegern steht die Natur im Mittelpunkt. Eigentlich war es ja gar keine Hotelbewertung sondern eine Fjordbewertung.  

Aber ich glaube, hier liegt ein wenig der Fehler – auch in unserer Sichtweise. Die Deutschen haben Skandinavien zum Schlaraffenland erkoren. Angeblich ist hier alles besser. Lohn, Leben, Kinderbetreuung, etc.  

Der erste Fehler liegt hier aber bereits in der Lokalisation selber. Skandinavien? Kann ich dort hinziehen? Nein! Man kann sich entscheiden: Norwegen, Schweden, Dänemark oder Finnland. Ich kann aber nicht in Skandinavien wohnen. Würde ich gerne machen. Dann nehme ich den Lohn und die Natur aus Norwegen, die Preise und die Auswahl aus Schweden und die Cafes und Clubs aus Kopenhagen.  

So gerne wir diese Länder über einen Kamm scheren… so einfach ist das nicht! Die Länder sind sehr unterschiedlich. Aber wir Deutschen picken uns gerne die Kirschen aus jedem Land und sagen dann, in Skandinavien sei alles besser.  

Vor kurzem durfte ich im Flieger im Focus lesen, dass der Norwegische Staat so gut haushaltet mit seinem Geld aus dem Öl, wodurch noch in viele Jahren allen Norwegern eine Rente in Wohlstand gesichert ist. 

Das ist bestimmt richtig, dass der Norwegische Staat wirklich verantwortungsvoll gehandelt hat. Das Wort “Wohlstand” stieß mir aber übel auf. Was heißt das genau? Als Deutscher versteht man unter Wohlstand wahrscheinlich, dass man sich keine Sorgen ums Finanzielle machen muss, der Euro muss nicht drei Mal umgedreht werden, hin und wieder kann man auswärts essen gehen, der jährliche Urlaub gen Süden ist gesichert und wird mit dem eigenen Auto angetreten.  

Sieht so also das Retnerleben in Norwegen aus? Treffen sich die Renter im Restaurant oder in Südeuropa, um ihre Pension auf den Kopf zu hauen. Sie wissen halt nicht wohin mit all dem Wohlstand? Hmmmm…. Ich habe die irgendwie meine Bedenken.  

Nicht falsch verstehen, dem Land und den Leuten geht es gut. Aber wie in meinem letzten Blogeintrag bereits geschildert, ist die Sichtweise eine viel einfachere. Der Norweger ist anscheinend glücklich, wenn er mit einem Kvikk Lunsj am Fjord sitzen kann.  

Löhne und Gehälter sind in Norwegen höher und sehr wahrscheinlich auch die Rente. Aber es kostet auch alles um ein Vielfaches mehr. Die Kaufkraft ist also nicht unbedingt höher. Alkohol, Restaurantbesuche und Co gelten hier aber als Luxus und liegen nicht in der Natur der Norweger. Was die Norweger wirklich lieben und brauchen gibt es kostenlos direkt vor der Haustür. [Kleiner Tipp: Das liegt auch in anderen Ländern direkt vor der Tür.] 

Eine – finde ich – sehr schöne Einstellung. Man sollte sich nur solchen Sachen bewusst sein, wenn man den Lebensstandard in anderen Ländern wertet. Für die einen ist es eine Bruchbude am Wasser, für die anderen ein spektakulärer Platz am Fjord.

Ob es Grand ist oder nicht fängt nämlich in deinem Kopf an!

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Blick von unserem "Grand Zimmer".
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Das norwegische Geheimrezept gegen Jammern!

22/5/2016

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Es gibt mehr zu sehen, als man je sehen kann, mehr zu tun, soviel mehr zu verstehen, Alles neu, alles endlos und weit. Und die Sonne zieht leis Ihren goldenen Kreis […] Und im ewigen Kreis dreht sich unser Leben […] lalalalala. An diese König der Löwen Textzeilen musste ich denken, als ich vor wenigen Wochen durch die Osloer Innenstadt lief und mir auf den Straßen Teenager in roten Latzhosen entgegenkamen, sowie in den Geschäften wieder alles in den norwegischen Farben verkauft wurde. Der ewige Kreis. Ich bin doch nun glatt ein Jahr hier und Dinge fangen an sich zu wiederholen.

Mai ist der Monat in Norwegen mit den wohl meisten Feiertagen und dem größten Alkoholkonsum. Nicht nur wird am 17. Mai die Unabhängigkeit mit Champagnerfrühstück in traditioneller Tracht gefeiert und die Königsfamilie winkt artig vom Schlossbalkon, sondern auch die Norwegischen Abiturienten feiern ihren Abschluss und das relativ ausgiebige einen Monat lang. Gut zu erkennen sind diese an den besagten roten Latzhosen, die während dieser Zeit nicht gewechselt werden.

Über die Hygiene lässt sich streiten, interessanter finde ich aber, dass diese Feierei vor den Abschlussprüfungen stattfindet. Im Juni werden die Alkoholleichen aka Abiturienten geprüft. Erst die Arbeit dann das Vergnügen? Ach nee, das wäre ja langweilig.

Meine englische bessere Hälfte und ich amüsieren uns gerne mal darüber, dass dies wahrscheinlich auch nur im Disneyland Norwegen möglich ist. Der Wohlstand durch das Öl hat definitiv einen Effekt auf die jüngeren Bewohner hinterlassen. Diese sind gut behütet und betüddelt aufgewachsen und sich dessen bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit arbeitslos nach der Schule zu sein, doch sehr gering ist.

Wenn ich durch Oslo laufe und eine dänische oder schwedische Kette neben der anderen und auf der Straße Volvos neben einer hohen Anzahl an deutschen Autos sehe, frage ich mich manchmal, was aus Norwegen geworden wäre ohne den Ölfund. Seine skandinavischen Nachbarn erscheinen geschäftlich ambitionierter.

Aber zurück zum eigentlichen! Ein Jahr in Norwegen. Ich dachte, das schreit nach einem kleinen Rückblick bzw. einer "Abrechnung". Stimmen die Vorurteile gegenüber den Norwegern? Wurden die eigenen Erwartungen erfüllt?

Ich glaube, zunächst muss ich vielleicht erst einmal einwerfen, dass ich relativ erwartungslos in dieses Land gekommen bin. Die einzige Wunschvorstellung, die ich hatte, war einen ähnlichen Arbeitsvertrag wie mein Freund zu bekommen. Wo die Arbeitszeit bis höchstens 17 Uhr ist und im Sommer nur bis 15.30.

Dieses Ziel habe ich erreicht. Ich bin nun seit 10 Monaten in meinem Job und musste in dieser Zeit einmal bis 18.15 arbeiten, da ich einen Termin mit zwei Engländern hatte, wo die Uhren etwas anders ticken. Meine Chefin entschuldigte sich hinterher dafür und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

Während ich mich an die Arbeitszeiten recht schnell gewöhnen konnte, hadere ich mit ein paar anderen Dingen im Norwegischen Berufsalltag ein wenig. Man könnte es positiv bezeichnen und sagen, dass einem direkt viel Verantwortung übergeben wird. Aber gleichzeitig empfinde ich mich und auch andere oft allein auf weiter Flur.

Meist muss ich auch ein wenig schmunzeln über den Mikrokosmos Norwegen oder wie oben beschrieben Disneyland Norwegen. Sie haben es definitiv geschafft, sich ihre kleine eigene Welt zu schaffen, wo in vielerlei Hinsicht die Uhren noch so ticken wie vor einigen Jahren.  Pünktliche Feierabende, um Zeit mit der Familie zu verbringen, gute Gehälter für alle Berufsgruppen, die private Hütte in den Bergen als nettes Accessoire.

Aber gleichzeitig auch überteuerte Lebenshaltungskosten und eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit mit anderen europäischen Ländern. Während ich Kleidung und Elektroprodukte relativ ähnlich bepreist finde, sind Lebensmittel, Alkohol und Restaurantbesuch oft einfach abschreckend kostenintensiv.

Und um hier einmal einem Vorurteil gerecht zu werden. Ja, in Norwegen werden höhere Gehälter gezahlt. Aber dies trifft – im Vergleich mit Deutschland – speziell auf Berufe wie Physiotherapeuten, Krankenschwester und Handwerker zu. Als Akademiker mit Berufserfahrung sollte man – mit wenigen Ausnahmen – sich nicht erhoffen, dass man plötzlich das doppelte verdient.

Wir können uns bestimmt nicht beklagen über unsere Gehälter. Aber das mehr was wir hier verdienen, kompensiert nicht 12 Euro für ein kleines Glas (Haus)Wein im Restaurant oder 28 Euro für 1kg Spargel im Gemüseladen. Versöhnt werde ich da nur damit, dass es bei jedem Restaurantbesuch kostenlos stilles Wasser dazu gibt. Dennoch tun die Rechnungen am Ende eines Restaurantbesuchs oft weh.

Die Norweger haben hier eine sehr pragmatische Sichtweise. Als ich mich mit einer Kollegin über die Restaurantpreise unterhielt und dass die Gehälter diese nicht kompensieren, konnte ich in strahlende Augen schauen und die Erklaerung hören, dass dies an den norwegischen Lebensstil angelegt ist. Man geht halt kaum essen. Mich hats vor Lachen fast vom Stuhl gehauen, meine Kollegin fand es super logisch. 

Trotz der hohen Preise gibt es eine sehr positive Sache, die mir aber immer wieder auffällt. Eine Eigenschaft, die wir uns bestimmt etwas mehr abgucken könnten von den Norwegern, ist dass hier per se weniger gejammert wird. Diese liegt aber auch an einem enormen Nationalstolz.

Vor kurzem war ich mit Arbeitskollegen in einem norwegischen Musical, wo es um das leicht abnormale Königshaus ging. Ich hatte ja keine Ahnung, welche Fähigkeiten der Adel in Norwegen hat hinsichtlich Unterhaltungen mit Engeln. Aber nichtsdestotrotz kam ein Thema immer wieder auf. Die Wahl zum besten Land der Welt, was immer wieder Norwegen gewann. Ich fragte nach der Show meine Kollegin, ob es diese Wahl wirklich gibt oder worauf sich das genau bezieht. Sie fing darauf an zu erklären, dass es diese Wahl so genau nicht geben würde, die Norweger aber allgemein sehr stolz auf ihr Land seien.

Ich unterbrach sie sanft, zog meine Augenbrauen hoch und sagte leicht süffisant: "No...shit? Really?" Die Norweger sind sehr stolz auf ihr Land? Das war mir bisher entgangen. Okay, sie tragen gerne Winterjacken in den Nationalfarben, norwegische Flaggen auf der Mütze und der Geburtstagstisch wird ebenfalls mit einer ausgestattet. Nicht zu vergessen die Flagge am privaten Boot oder vor der privaten Hütte.

Wobei ich den Geburtstagstisch am seltsamsten fand. Ich kann mir vorstellen, dass dies in AfD Kreisen vielleicht auch gemacht wird, aber die Gesichter meiner Kollegen hätte ich gerne in meinen alten Jobs gesehen, wenn die Geburtstagsdeko aus Deutschlandflaggen bestehen würde. Ich bin schon sehr auf meinen Geburtstag gespannt.
Geburtstag in Norwegen
Man brauche fünf Ballons und drei Norwegen-Flaggen und fertig ist der Geburtstagstisch in Norwegen!
Die Nationalliebe ist für mich aber gefühlt so stark, dass damit auch unglaublich viel akzeptiert wird. Norwegen ist teuer, aber so toll. Die Auswahl in den Supermärkten ist beschränkt, aber Norwegen ist toll... und so weiter und sofort. Du kannst dieses Spiel auf fast alles ausweiten.
Nur in wirklich traurige Augen durfte ich gucken, als es um die Teilnahme an EM und WM der norwegischen Fussball-Nationalmannschaft ging. Fjorde und Berge konnten da nicht trösten. 

Vor kurzem habe ich einen norwegischen Werbespot gesehen, wo es darum geht, warum die norwegischen Frauen so schön seien. Ich konnte mir das Lachen echt nicht verkneifen und übersetzte den Spot schnell fuer meinen englischen Nachbarn aka Freund.
"Das Geheimnis wunderschöner deutscher Haut liegt an...." wird man wohl HOFFENTLICH nie im deutschen Fernsehen hören.

Ich hatte nach einem Jahr in Norwegen natürlich auch bereits Kontakt zum Gesundheitssystem. Dazu in einem anderen Post mehr. Aber so viel darf bereits gesagt sein: Jeder Arztbesuch kostet dich schlappe 190 Kronen Selbstanteil als Erwachsener (circa 21 Euro) [und fun fact: Der Zahnarzt ist komplett privat]. Dieser Eigenanteil ist gedeckelt, sodass man bei einer Krebserkankung nicht direkt auch noch bankrott ist. Aber dennoch musste ich auch hier sehr schmunzeln, als meine Kollegen mir das System erklärt haben.

Ich musste direkt an die Praxisgebühr von 10 Euro denken. Wie groß war der Aufstand damals in Deutschland. Unzumutbar war das angeblich. Hier werden 190 NOK anscheinend einfach akzeptiert. Meine Kollegen zuckten nicht mit der Wimper als sie mich in das System einweihten. Denn ihr dürft eines nicht vergessen: Norwegen ist teuer... aber Norwegen ist auch toll! [Anmerkung für alle Detail-liebenden Deutschen: Der Grundbeitrag für die Versicherung ist aber wesentlich geringer als in Deutschland]

So anstrengend ich den Nationalstolz manchmal finde – insbesondere als Deutscher – muss ich aber sagen, dass ich denke, wir könnten ruhig etwas mehr davon haben und etwas weniger Jammern,  Beschweren und Schwarzmalen!

Eines der ersten Dinge, die man mir hier beigebracht war, dass ich nicht mit deutscher Direktheit antworten soll, wenn man mich fragt, wie ich Norwegen finde. Der Norweger will nicht deine Meinung sondern hören, wie toll sein Land ist.

Skandinavien wird in vielen Dingen immer als Paradebeispiel angeführt. Wie ich in letzter Zeit auch lernen konnte, ist Skandinavien nicht gleich Skandinavien. Die Länder unterscheiden sich doch extrem. Aber nichtsdestotrotz fließt hier nicht Honig in den Flüssen und auch dieses System hat Vor- und Nachteile. Die Nachteile werden hier nur einfach mehr zwinkernd übersehen, während man als Deutscher oft eher den Nachteil betont. Wir müssen ja nicht direkt bei jedem Geburtstag mit Deutschlandflaggen wedeln, aber ein bisschen positiveres Denken schadet nicht.

Also, beim nächsten Mal nicht beschweren, sondern einfach dran denken: Norwegen UND Deutschland sind toll!
Deutschland versus Norwegen: Unentschieden!
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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
    Gemeinsam mit meinem Freund geht es von Hamburg noch weiter in den Norden und zwar nach Oslo. Wie es uns hierbei ergeht, werde ich auf diesen Seiten erzählen.

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