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Das gallische Dorf in meinem Kopf

28/6/2015

1 Kommentar

 
Es ist vollbracht: Sechs Wochen Sprachkurs liegen hinter mir und ich hab das A1 Niveau erreicht. Das bedeutet, ich kann problemlos Gespräche auf Norwegisch führen… mit 5-8 jährigen Kindern.

Heute eine Sprache zu lernen ist doch weitaus anders als ich es in Erinnerung habe aus der fünften Klasse. Mit 30 – und das ist heute ja eigentlich das neue 20 – fällt es doch schwerer, noch Platz im überfüllten Kopf für neue Vokabeln zu finden. Und ich muss sagen, die Franzosen sind ein hartnäckiges Völkchen. Bei meinem letzten Parisbesuch vor drei Jahren, fühlte ich mich eigentlich bestätigt, dass ich alle meine Französischkenntnisse aus der Schulzeit restlos verloren hatte. Wie hilflos stand ich der Vermieterin gegenüber und versuchte zu erklären, wann wir wieder abreisen würden (Ich muss wahrscheinlich nicht erwähnen, dass sie kein Englisch sprach). Doch jetzt, wo ich verzweifelt Norwegisch Vokabeln pauke, da kommt es ganz unverhofft wieder zurück. Versuche ich im Norwegischunterricht Sätze zu bilden, schummelt sich immer wieder ein „il“, „est-ce que“ und ein „et“ ein. Als ich meinen letzten Norwegisch-Aufsatz wieder zurückbekam, waren 80% meiner Fehler, dass ich mitten im Satz französische Worte benutzt habe. Entgeistert starrte ich das Blatt Papier mit den roten Korrekturen an. Mir war dies bei meinem Korrekturlesen (zwei Mal!!!!) in keinster Weise aufgefallen. Wortlos schob ich das Blatt zu meiner französischen Sitznachbarin rüber. Sie war natürlich begeistert.  Jedenfalls eine machte es glücklich. Ich bin langsam aber sicher davon überzeugt, dass in meinem Kopf ein kleines gallisches Dorf Widerstand gegen die norwegische Sprache leistet. Mal schauen, wer am Ende gewinnt. 


Anders im Vergleich zu früher sind definitiv auch die technischen Möglichkeiten. Ich nenne es liebevoll „Auswandern 2.0“. Was in der Schule sonst verboten wird, ist bei uns im Sprachkurs vollkommen normal: Das Handy liegt grundsätzlich griffbereit neben dir. Google Translator ist in einem Land, wo du die Sprache nicht sprichst, einer deiner besten Freunde. Die Wahrheit hat „er“ zwar nicht unbedingt mit Löffeln gefressen, aber „er“ ist immer für dich da. Nur muss man bedenken, dass „er“ Amerikaner ist. Jede Übersetzung aus dem Norwegischen ins Deutsche ist eigentlich aus dem Norwegischen ins Englische und dann ins Deutsche. Und dabei kommen schon häufiger sehr skurrile bis sinnlose Dinge bei raus.

Es würde mich auch nicht wundern, wenn ich demnächst aus Mountain View eine Rechnung bekommen würde mit der Begründung, dass mein Nutzungsverhalten über der Norm liegt und sie deswegen leider Kosten berechnen müssten. Der Tausender-Vokabel-Preis ist aber hoffentlich gut.

Doch auch im Privatleben steht der Google Translator dir immer zur Seite. Bedenklich finde ich da nur seine amerikanische Abstammung und damit sein Einstellung gegenüber Datenschutz. Eigentlich ist es unglaublich, was „er“ alles in der Zwischenzeit über mich weiß. Es beruhigt aber, dass ich ihn durch die absurden Geschichten aus meinem Norwegischbuch verwirren kann. So hält „er“ Pablo, Monica und Hans-Olav wahrscheinlich für enge Freunde von mir. Und sicher war „er“ – sowie ich – auch verwundert über Paul, der aus dem Kongo geflohen ist, eigentlich als Architekt gearbeitet hat und nun in Norwegen als Fußballtrainer einer Jugendmannschaft „Karriere“ macht. Geschichten direkt aus dem Leben gegriffen. Ich würde gerne wissen, was die Autoren unseres Norwegischbuches so rauchen, es muss gut sein. Vor dem Lesen eines Textes wurden wir von unserem Lehrer meistens gewarnt, dass wir keine Nobelpreisliteratur erwarten sollten. Nein, das war es wirklich nicht, es ließ stattdessen die Handlung von GZSZ als ziemlich glaubhaft erscheinen.

Zusammenfassend kann man also sagen:  Es ist vollkommen normal, dass die Schüler häufiger während des Unterrichts auf ihrem Handy rumtippen. Für den Lehrer ist dies nur ein Zeichen, dass wir Vokabeln nicht verstanden haben.  

Etwas anders gestaltet sich dies nur bei deutschen Schülern. Sie sind – glaube ich – in international gemixten Klassen  auch nicht unbedingt die – nennen wir es – beliebtesten. Während meine Mitschüler aus Mexiko, China und dem Iran eine wirklich andere Sprache lernen müssen, haben wir Deutschen es schon einfacher. Bestimmt 50% der Worte sind sehr ähnlich zum Deutschen. Und so ist für deutsche Schüler dann manchmal nicht unbedingt sehr spannend, wenn der Lehrer gefühlte 30 Minuten pantomimisch das Wort „maler“ erklärt. Man glaubt es kaum, aber das norwegische Wort „maler“ bedeutet im deutschen…. Trommelwirbel… „Maler“. Hinzukommt, dass ich davon überzeugt bin, dass unser Norwegischlehrer diesen Beruf nur ergriffen hat, weil er Scharade liebt. Stundenlang kann er übereifrig wortlos Begriffe erklären. Das Wort „nass“ erläuterte er uns, indem er den Inhalt seiner Wasserflasche auf dem Tisch vergoss. Leider hatte er das kurze Zeit später wieder vergessen und setzte sich direkt in diese Pfütze. Da konnte er dann einmal wortlos sehen, was der deutsche Begriff "Schadenfreude" bedeutet.
Die ersten Wochen waren hinsichtlich der Pantomimeeinlagen in Ordnung. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Und spätestens in der letzten Woche, schenkte ich meine Aufmerksamkeit häufiger der Facebook App als der Pantomime meines Lehrers bei Worten, die einfach einfach waren. Meistens kam er dann zu mir und fragte, ob ich das Wort nicht verstanden habe. Klar,  ich schaute ich ja auch gerade auf mein Handy – ergo: ich nutze den Translator.  Mir ist schuldbewusst vor Schreck oft fast das Handy aus der Hand gefallen.  Und dann sagte ich kleinlaut den Satz, den wahrscheinlich keiner meiner Mitschüler hören wollte: Yes, I know. It’s the same in German.

Doch alles hat seinen Preis oder jede Medaille hat zwei Seiten. So sind die Sprachen sehr ähnlich. Dennoch ist und bleibt es eine neue Sprache mit zig unterschiedlichen Dialekten und einer leicht skurillen Melodie. In Deutschland konnte ich es am Ende nicht mehr hören, wenn Leute meinen Umzug mit „Oohh aber Norwegen ist kalt und dunkel“ kommentierten. Nun hier in Oslo arbeitet sich der Satz „Oh, aber du bist Deutsche, du wirst die Sprache schnell lernen“ zielstrebig nach vorne. Man meint es wahrscheinlich nur gut, aber die Frequenz dieses Satzes ist gerade zu hoch und erinnert mich stark an Carglass Radiowerbung (Carglass repariert, Carglass tauscht aus). In meinem zweiten Vorstellungsgespräch bei einer Firma wurde ich gefragt, wie sich meine Sprachkenntnisse in der Zwischenzeit verbessert haben. Zwischen dem ersten und dem zweiten Gespräch lagen genau zwei Wochen. Gerne hätte ich geantwortet, dass die zwei Wochen gereicht haben, um zu erfahren, dass Paul nicht als Architekt arbeiten darf, sondern nun Fußballtrainer wird und dass ich dem Babybären sagen kann, dass sein kleiner Bruder seine Zahnbürste genommen hat.  

Bild
Meine erste Lektüre... "Wer hat meine Zahnbürste genommen?"

Das Highlight meines Kurses fand aber in der letzten Woche statt. Unserer Lehrer musste einer 23 jährigen Schülerin das Wort „Ferienlager“ erklären. Nachdem die ersten Versuche nicht gefruchtet hatten, versuchte er es mit Hilfe von etwas Popkultur und zitierte den Anfang einer Unterhaltung aus American Pie. Ich wäre vor Schreck fast vom Stuhl gefallen und starrte ihn ungläubig an. Ein unpassenderes Beispiel im Unterricht wäre mir nicht eingefallen. Getoppt wurde dies nur von der Antwort der Schülerin: „Was ist American Pie?“

30 ist  wohl doch nicht das neue 20 und in dem Moment wechselte meine Stimmung blitzschnell von „Oh Gott, das Beispiel nutzt er nicht wirklich“ zu „Man, ich werde doch alt“ und ich entschied mich, dass ich von nun an zu Hause Norwegisch lerne.
1 Kommentar
Torben
29/6/2015 09:34:25

Solange die Norweger merken, dass Du gewillt bist die Sprache zu lernen, werden sie es Dir danken ... und trotzdem auf englisch antworten :)

Versuche als Übersetzungs- Site mal pauker.at. Das schwedisch ist da sehr genial vertreten. Vielleicht norwegisch ja auch. Ist zumindest eine Alternative zum Google Übersetzter!

Ansonsten: Lykke till!

Ach so ... nur der Neugierde halber "Hvem tok tannbørsten din?"

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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
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