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Eine orthopädische Einlage in Norwegen will man nicht sein!

26/8/2016

4 Kommentare

 
So… nun aber! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Das Thema Gesundheitssystem wartet noch immer.  

Mein erster indirekter Kontakt mit dem Thema war bei meiner Meldung hier in Norwegen. Leider ein eher böses Erwachen. Man hatte uns vorher informiert, dass ich als EU Bürger sofort Zugang zur Krankenversicherung hätte. Pustekuchen. Da stand ich wie Ochs vorm Berg vor einem Jahr, als ich mich als «Job Seeker» in Norwegen gemeldet hatte und mir keine Fødselnummer gegeben wurde, die der erste Schritt ist, um Zugang zum System zu bekommen.  

Ehrlicher Weise muss man hier aber sagen, dass das deutsche System es aber auch schwieriger gemacht hat. Meine gesetzliche Versicherung hatte ich gekündigt, da ich zum einen in Deutschland abgemeldet war und ich ja auch dachte, ich hätte Zugang in Norwegen.  Systeme wie in England und Norwegen sind hinsichtlich dessen einfacher, da man als Staatsbürger direkt versichert ist.  

Die Mitarbeiterin in der Anmeldestelle schaute mich leicht verstört an, als ich schockiert reagierte über meine mangelnde Versicherung und sagte dann die beruhigenden Worte, die ich wohl nie vergessen werde: Also, falls du einen Unfall haben solltest, würde ein Krankenwagen kommen und dir helfen.  

Herrlich! Vielen Dank! Ich werde also nicht blutend am Boden liegen gelassen? Sehr freundlich! Ich fühle mich wirklich willkommen geheißen. Gibt es eine Mindestlitermenge an Blut, die ich vorher verlieren muss??? 
Wie gut, dass das alles gefühlt in weiter Ferne liegt und ich mit dem Job dann auch meine Versicherung erhalten habe.  

Die ersten richtigen Kontakte mit dem Gesundheitssystem waren schon etwas gewöhnungsbedürftig. Hier in Norwegen sucht man sich seinen Hausarzt in einer großen Liste online aus. Man kann dabei nicht jeden Arzt wählen, sondern nur wo noch die freien Plätze, die zur Verfügung stehen.
 

Und Augen auf bei der Hausarztwahl! Der Hausarzt ist hier der erste Bezugspunkt für alles. Termine beim Facharzt einfach selber machen? Gerne… aber dann darf man auch privat zahlen. Der Hausarzt hat also immer den ersten Blick auf dich und überweist dich ggf.  
 
Wichtig zu wissen, insbesondere für Frauen. Denn der Frauenarzt wird hier nur im Falle einer Krankheit aufgesucht. Die Standarduntersuchungen macht hier ebenfalls der Hausarzt. 


Als ich also meinen Arzt in der Liste aussuchte, musste er einige Kriterien entsprechen. Am liebsten eine Frau (da der Hausarzt auch die Frauenarzt-Check Ups macht), nicht älter als circa 50 (um hoffentlich zu gewähren dass ich die Termine auf Englisch haben kann) und nicht zu weit weg von meiner Wohnung.
 

In dem Online System wurde mir angezeigt, dass ich dieses Jahr drei Mal den Arzt wechseln dürfte. Musste ich aber Gott sei Dank nicht. Meine Ärztin, die nur wenig älter ist als ich und sehr zentral ihre Praxis hat, war Gott sei Dank die richtige Wahl.  

Jeder Arztbesuch hier in Norwegen bedeutet übrigens eine Eigenbeteilung von 190 NOK, was ungef. 20 Euro entsprechen. [Ich muss nicht erwähnen, dass die “Praxisgebühr” ausschließlich mit Karten bezahlt werden kann, oder?]  
Einfach aus der Praxis laufen, wie ich es einmal geschafft habe, hilft übrigens nicht. Es war wirklich keine Absicht. Ich war einfach in Gedanken. Aber sie finden dich sowieso. Die Rechnung wird dir dann direkt nach Hause geschickt, zusammen mit der Mahngebühr.  

Der Eigenanteil ist aber gedeckelt. Wie eine Kollegin mir erklärte: Wenn du Krebs hast, bist du nicht direkt bankrott.  

Umweltschonend ist das Rezeptsystem. Elektronisch werden alle Apotheken über dein Rezept informiert und du kannst in der Apotheke deiner Wahl deine Medikamente abholen. Datenschutztechnisch wahrscheinlich unvorstellbar in Deutschland. 

In vielen Artikeln und Blogs, die ich bisher gelesen habe, wurde das norwegische System immer sehr gelobt. Häufig waren das aber amerikanische Verfasser. Aus deutscher Versicherungsnehmer-Sicht muss ich sagen, ist das System ok. In den Himmel loben würde ich es nicht.  

Man zahlt hier in Norwegen nur ca. 8% seines Lohns in die Krankenversicherung und alle sind gleichversichert. Das Meer aus unterschiedlichen Versicherungen gibt es nicht und auch nicht diese Zweiklassen-Gesellschaft. Private Versicherungen bestehen, aber halt nur als Zusatz. Was ich aber per se als positiv empfinde.  

Der Anteil vom Lohn ist also weitaus geringer als in Deutschland. Aber er kommt mit einem Preis. Vorsorgeuntersuchungen, wie wir sie aus Deutschland kennen (einmal im Jahr Frauenarzt, Zahnarzt, Hautscreening) gibt es hier sehr wenig. Der Zahnarzt wird auch nur bis zum 20. Lebensjahr von der Versicherung bezahlt. Danach ist dieser eine komplette Privatleistung. Weswegen mein alter Zahnarzt in Deutschland noch immer von mir Besuch bekommt. Ist am Ende billiger.  

Wenn du dich also glücklich schätzen kannst, dass du gesundheitlich lange in einem top Zustand bist, kommst du in Norge eigentlich recht günstig weg, billiger als in Deutschland. Hast du dann aber doch ein paar Zipperlein, könnte es je nachdem teurer werden. Insbesondere eine gründliche Zahnpflege kann den Geldbeutel hier sehr schonen. 

Zu spüren bekommen hat dies meine bessere Hälfte ebenfalls bereits. Ich als Sparfuchs habe natürlich – auch weil ich nicht wusste, was mich erwarten wird – noch einmal alles mitgenommen in Deutschland. Check-Up beim Zahnarzt, Einlagen beim Orthopäden, Vorsorge beim Frauenarzt und natürlich das Hautscreening. Ich wäre der geborene Schwabe.  

So organisiert war Monsieur natürlich nicht. Seine Einlagen ließ er sich lieber hier verschreiben. Großer Anfängerfehler. Es fühlte sich ein wenig nach Zeitreise an, was geschah, nachdem er die Überweisung vom Arzt hatte.  
Um einen Termin für den Abdruck zu bekommen, musste er erst einmal 3 Wochen warten.  

Warten ist hier eine großes Ding in Sachen Gesundheitssystem und hat noch einmal andere Dimensionen als in Deutschland (sei es der Abdruck für die Einlagen, der Termin beim Physiotherapeuten oder die Knie-OP). Er bekam dann per Post einen Brief mit dem Termin zugeschickt, wann er für die Abdrücke vorbeibeikommen müsste. Abdrücke scheinen hier eine extrem offizielle Sachen zu sein. Vielen Dank für die Einladung! Ich nehme gerne an und werde erscheinen! 

Durch das System in Deutschland verwöhnt, wollte mein “English boyfriend” direkt zwei Anfertigungen. Einmal für den Alltag und einmal für den Sport. In der Orthopädie wurde er schief angeschaut. Ob er sich wirklich sicher sei. Ein paar würde doch reichen und die halten ja auch 3-5 Jahre.  

Als nächstes wurde ihm der “Eigenanteil” verraten. Eigenanteil ist vielleicht das falsche Wort. Er musste die schlappen 3 000 NOK (310 EURO) für ein Paar nämlich komplett selber tragen. Gütiger Weise bekam er den schweren Gipsabdruck mit nach Hause, sodass die nächsten Einlagen minimal günstiger sein sollen. Diese sind aber ja auch angeblich erst in 3-5 Jahren wieder fällig. [Ich habe ein wenig Mitleid mit den norwegischen Einlagen. Ich weiss nicht, ob ich fünf Jahre lang jeden Tag unter den gleichen Füßen liegen möchte.] 

Dieser Abdruck schimmelt nun bei uns im Kleiderschrank rum, wird hin und wieder beim Aufräumen rausgeholt und sorgt aber immer wieder für große Lacher. Da hat sich die Investition von 3 000 Krönchen doch wirklich gelohnt. Ein Lachen ist doch unbezahlbar. 
Bild
Gezeigt hat mir das System hier wieder einmal, dass – auch wenn das deutsche Gesundheitssystem bestimmt verbesserungswürdig ist – wir ruhig ein bisschen weniger meckern dürfen. Es hat seinen Grund, dass viele Auswanderer auch nach Jahren gewisse Check-Ups immer noch in Deutschland machen.
 

Bei Kindern sieht die Sache übrigens anders aus. Kinder sind kostenlos mitversichert und bekommen die Leistungen inklusive Zahnarzt bezahlt. Die Sache mit dem Eigenanteil ändert sich übrigens auch, sobald du schwanger bist. Dann kannst du quasi kostenlos aber hoffentlich nicht umsonst deinen Hausarzt besuchen.  

Hausarzt? Ohja… Hausarzt. Frauenärzte kümmern sich – wie gesagt – nur um «krankhafte» Dinge. Eine Schwangerschaft ist eine natürlich Sache und wird vom Hausarzt und Hebamme begleitet – ohne 190 NOK Eigenanteil.  
Die Sache ist sogar so natürlich in Norwegen, dass man den Hausarzt dann doch nicht so haeufig sieht, wie man vielleicht vermutet.  

Ich spreche hier aus Erfahrung. Seit gut fünf Monaten muss ich keinen Eigenanteil mehr bezahlen und lerne noch viele weitere Seiten von Norwegen kennen. So eine Schwangerschaft lässt dich nicht nur tiefer in das Gesundheitssystem eintauchen, sondern zeigt dir die Berufswelt, das Thema Kinderbetreuung sowie das Bildungssystem von einer ganz neuen Seite.  

Oder anders ausgedrückt: Neues Futter für On My norWay! :-)

4 Kommentare
Torben Høeg
30/8/2016 09:16:44

Nachtigall, ick hör die trapsen ...
Das Wesentliche und wirklich wichtige erfahrt man dann im letzten Absatz :)

Ich freu mich für Euch!

Antwort
On My norWay
30/8/2016 22:14:40

hihi... lieben Dank Dir :-) man muss ja Recherche-technisch alles mitnehmen ;)

Antwort
Wolfgang
17/9/2016 07:57:33

So ganz nebenbei und fast überlesen....... Herzlichen Glückwunsch Mareike, übrigens auch zum ganzen Blog , welchen ich regelmäßig lese. Gruß an Oma und Opa!

Antwort
On My norWay
17/9/2016 18:21:49

Lieben Dank, Wolfang :-) Dachte "Oma und Opa" hätten es bereits außerhalb der Grenzen von Ostfriesland verkündet ;-)

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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
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