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Gib mir nur ein Wort...

7/6/2015

3 Kommentare

 
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Einen Monat, 4 Wochen, 30 Tage,  720 Stunden, 43.200 Minuten oder 2.592.000 Sekunden… wie ihr es euch nennen wollt, so lange verbringe ich nun bereits unter der norwegischen Sonne. Wieder ein kleines Jubiläum und ich bin definitiv ein paar Schritte weiter als vor 2.200.000 Sekunden. Ich komme mit der Sprache langsam voran, muss mich beim Einkaufen nicht mehr als Ausländer outen, wenn es ums Bezahlen geht oder „Tüte oder keine Tüte – das ist hier die Frage“.  Ich gewöhne mich an Worte wie „hadde“ (ich bin mir sicher, dass Stefan Raab beim Eurovision Songcontest 2000 auf Norwegisch gesungen hat, wir Deutschen haben das nur nicht geschnallt.), „fikk“ und „politimann“ (keine Ahnung, wie ich vor einem politimann (Polizist) Respekt haben soll).  Der einzige kleine Durchhänger war das Lernen der Vergangenheitsform im Norwegischen. Hier gibt es keine wirklich Regel. Man muss es halt für alle Verben lernen. Sind ja auch nicht viele Verben, die es so gibt. :-) Zu Hause habe ich dafür kein Mitleid bekommen. Stattdessen durfte ich mir anhören, wie schwierig es doch sei, deutsch zu lernen. Ich habe nun einfach für mich selbst beschlossen, dass ich nicht über die Vergangenheit spreche, sondern einfach nur noch im Hier und Jetzt lebe. Soll ja auch gesünder sein. Oooooooooooooooooom!!!!!

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20 Grad und Sonnenschein: Norwegisch lernen im Garten. Das passende Thema: Weihnachten in Norwegen!
Equipmentmäßig passe ich mich ebenfalls an und radel auch bei Regen – wie immer auf dem letzten Drücker - zur Sprachschule. Ummantelt von meiner Regenhose, die von den anderen Sprachschulbuddies bereits bewundert wurde. Wenn ich sie nach dem Unterricht wieder anziehe, witzel ich meist „Let me turn back into a proper Norwegian!“  Da ist Marijke Amados Zauberkugel nichts gegen.

Die Wochenenden verbringen wir draußen in der Natur – wie es sich hier so gehört. Diese beginnt quasi schon drei S-Bahnhaltestellen nach unserer. Und dann ist es wirklich Natur und nicht überlaufene Elbstrände mit Kaffee und Kuchen. Ich bin froh, dass die Netzabdeckung in Norwegen wirklich gut ist und wir bisher keine Brotkrumen streuen mussten, sondern mit dem Handy immer den Weg zurück gefunden haben.
An die viele Sonne muss ich mich immer noch gewöhnen. Man verliert einfach jegliches Zeitgefühl, wenn es um 22 Uhr immer noch hell ist. Wenn einem dann noch die Uhr beim Sport geklaut wird, ist es komplett hinüber mit dem Biorhythmus. Ich bin Hamburger und habe eine lange Agenturzeit hinter mir, ich bin an so viel Tageslicht einfach nicht gewöhnt.

Ein Thema, was vorher bereits einige angesprochen hatten, beschäftigt mich häufiger hier. Und das ist die Frage, ob die Norweger wirklich unfreundlich sind, was böse Zungen behaupten. Das als Deutscher zu beurteilen, ist natürlich ein Stück weit ganz schönes Glatteis. So sind die Deutschen für vieles bekannt, aber nicht für ihre Höflichkeit.

Prinzipiell sollte man hier vielleicht einmal zwischen den Situationen unterscheiden. Im Café, Restaurant etc. muss ich sagen, finde ich die Servicekräfte unglaublich freundlich. Etwas anders gestaltet sich das dann aber in Fachgeschäften. Böse norwegische Zungen behaupten, dass freundliche und fähige Servicekräfte meist Schweden sind. Ich hielt dies für Non-Sense – bis wir uns einen neuen Fernseher gekauft haben. Wir hatten doch wirklich die Frechheit, den Angestellten im Geschäft zu fragen, was der Unterschied zwischen zwei Geräten genau sei. Es wurde einmal kurz vorgelesen, was auf dem Etikett stand – in einer monoton,  gelangweilten bis genervten Stimmlage. Ich starrte ihn mit großen Augen an. Meine Großmutter hätte ein technisch fundierteres und freundlicheres Gespräch führen können. Servicewüste Deutschland? Oh Gott, was ist dann das hier? Nachdem wir uns für einen Fernseher entschieden hatten, war ich nicht sicher, ob ich den Mitarbeiter anfahren soll, ob das seine Vorstellung von Service ist oder ob ich mich entschuldigen soll. Wie ich mich erdreisten konnte, seine acht Stunden Pause vorm Feierabend zu stören.
Ähnlich erging es uns bei Ikea. Wir entschieden uns, die Pärchen- und Familienhölle direkt zu meiden und Online zu bestellen. Leider kamen wir nie über den vorletzten Bestellprozess hinaus. Also riefen wir die Service Hotline an. Es ist übrigens ein Fest, sich mit A1 Norwegisch Niveau durch die Hotlineanweisung zu wurschteln („Oh, ich glaub wir müssen  die 3 drücken“) bis man endlich eine echte Person aus Fleisch und Blut am Telefon hat, die hoffentlich Englisch spricht. Wir hatten Glück, denn die Hotline war nur noch 15 Minuten verfügbar. Die freundliche Frau auf der anderen Seite prüfte unsere Bestellung und konnte nicht feststellen, warum wir diese nicht abschließen konnten. Es war klar, das muss man sich einmal genauer anschauen, bzw. müsste. Aber 15 Minuten vor Feierabend… puuuuh… das wird schwierig! Mit der Ausreden, dass sie einmal Rücksprache halten müsste, verfrachtete sie uns in die Warteschleife. Wenige Sekunden später wurde die funky Wartemusik durch ein Duuuu-duuuu-duuuuduuuu unterbrochen. Aufgelegt! Das war wohl keine Schwedin, auch wenn es Ikea war.

Der „private“ Norweger hingehen, ist sehr freundlich, wenn man mit ihm spricht, und das Vorurteil stimmt nicht. Die Betonung liegt hier aber auf „wenn man mit ihm spricht“. Das Problem als Nicht-Norweger ist, dass es wahnsinnig schwierig ist, mit der Spezies Norweger wirklich Kontakt aufzunehmen. Die Norddeutschen sind verschlossen und zurückhaltend? Mag sein, aber im Vergleich zu den Wikingern hier, haben die Norddeutschen fast spanisches Temperament. In den ersten Wochen habe ich mich oft gefragt, ob sich ein Amerikaner wohl so in Deutschland fühlt. Kein How are you? an jeder Ecke und kein sorry, wenn man sich auch nur ansatzweise zu nahe kommt.

Stattdessen fühlte ich mich am Anfang fast unsichtbar und das war ich das letzte Mal 1999 – aber willentlich –  auf ICQ. Bin ich mit jemandem im Supermarkt zusammengestoßen, war die Person schon viele Schritte weitergegangen, bevor ich ein Sorry bzw. Unnskyld hervorbringen konnte. Stehe ich am Saftregal im Supermarkt und schaue, welchen Saft ich haben möchte, kam es bereits häufiger vor, dass ich plötzlich aus dem Nichts heraus einen Norweger direkt vor mir hatte, der sich in die 30 cm zwischen mir und Saftregal zwängte und seinen Saft herausnahm. Irritiert schaute ich der Person hinterher. Was war das? Eine kleine Vorwarnung in Form von „T’schuldigung, darf ich mal kurz“ wäre wirklich toll.  Und ich weiß, dass ich wahrscheinlich unnötig lang vor den Regalen stehe. Aber entweder suche ich das günstigste Produkt, was annährend deutschen Preisverhältnissen entgegenkommt oder ich stehe dort in Schockstarre wegen der Auswahl (das passiert meistens beim Käse, Tee und Schoki-Regal). Also verzeiht mir, aber dennoch, wenn ihr was sagt, mache ich gerne Platz für euch. Wirklich!
Ich bin ein großer Fan von „meinem und deinem Tanzbereich“. Vielleicht war Dirty Dancing in Norwegen kein großer Erfolg, denn anscheinend ist hier Schweigen wichtiger als der Tanzbereich.  Ich habe unzählige Beispiele von Situationen, wo ich plötzlich einen Norweger förmlich ohne Vorwarnung an mir kleben hatte und ich nur einen Gedanken hatte: "Sag doch was!" Selbst ich weiß nach wenigen Wochen Sprachschule, was Entschuldigung auf Norwegisch heißt.  

Was man bei diesem Sachverhalt nicht unterschätzen darf, ist dass sich Norweger unglaublich lautlos anschleichen können und sich geschickt durch die winzigsten Zwischenräume zwängen können. Denn der typische Norweger trägt ein rundum abgestimmtes Sportoutfit. Neon-farbene Sportschuhe, sehr enge Tights (egal ob Männlein oder Weiblein) und auf die Schuhe abgestimmte Sportjacke.
Naiver Weise hielt ich diese Leute am Anfang für Jogger und war überrascht, wie viele Leute scheinbar ständig joggen gehen – und wie frisch und gut sie dennoch aussehen. Irgendwann fiel dann auch bei mir der Groschen bzw. die Krone. Das ist das Standardoutfit am Wochenende für Cafe-Besuche, Spaziergänge und Einkäufe – und um den Tanzbereich anderer zu betreten.

Wer weiß, vielleicht gewöhne ich mich irgendwann daran und pirsche mich auch bald in meinem Nike-Sportoutfit an andere Menschen heran. Aber bis dahin kann ich nur sagen: Bitte gib mir nur ein Wort!

3 Kommentare
Torben
8/6/2015 02:42:40

Ich erkenne zwischen den Zeilen durchaus die eine oder andere positiv gestimmte Nuance ... :)

Vielleicht wird das Kommunizieren besser, wenn Du in Deinem Lehrbuch auf das Kapitel mit den Schimpfwörtern stößt!

Ich kann aber ansonsten auch gerne mal meine norwegischen Verwandten nach ein paar sehr guten, aktuellen fragen wenn Du möchtest :)

Antwort
Mareike
8/6/2015 02:51:22

Ich bin da noch ganz unschuldig und kenne keine Schimpfworte. Der Vorteil am Schweigen ist, dass man auch selten angepöbelt wird. Während man in Berlin bei meinen Fahrstil zur Sprachschule meist angeschrien werden würde und direkt alle deutschen Schimpfworte zu hören bekäme, höre ich hier nur das Gezwitscher der Vögel :-) Es hat also alles zwei Seiten :-)

Aber sag mal.... hast du frei oder ist dir langweilig :-)? Du bist ja arg schnell :-)

Antwort
Torben
8/6/2015 03:19:42

Schweigen ist silber, stimmt!

Nee, ich sitze in der Agentur ... ist ja fast wie frei haben :)
War aber eher Zufall da ich gerade auf FB war!


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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
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