So lief ich vor ein paar Tagen nach der Arbeit nach Hause durch die Osloer Innenstadt und wurde von einem Mann auf Englisch angesprochen, ob ich wissen würde, wo die Danske Bank sei. Besagter Mann war wie ich ebenfalls «ikke norsk», aber uns verband noch mehr, wie ich feststellen durfte. In seiner Hand hielt er einen Zettel, der mir doch allzu bekannt vorkam. Es war der gleiche Wisch, den ich ausfüllen durfte, als ich verzweifelt versucht habe, stolze Besitzerin eines Bankkontos zu werden.
Hatte der Mann anscheinend die gleiche Idee wie ich damals:
Warte ich jetzt drei Wochen darauf, dass man meinen gesamten nicht-norwegischen Background checkt oder klapper ich einfach alle Banken ab, in der Hoffnung, dass es irgendwo vielleicht einfacher ist???
Ich war im Endeffekt faul bzw. zu zermürbt gewesen von zu vielen Ämtern. Sodass ich mich gegen das Abklappern entschied und sehr überzeugt war, dass mein Westchen weiß genug sein müsste für ein Konto hier.
Gerne hätte ich dem Mann gesagt, dass er nur Geduld und eine Menge (Galgen)Humor braucht, dann wird alles gut. Aber mir kam doch nur ein «I don’t know» über die Lippen. Ich wusste nicht, wo die Bank ist. Hatte ja nie nach anderen Ausschau gehalten.
Apropos Banken: Ich dachte ja, dass ich mit meiner neuen “nicht Kinderkarte” nicht mehr gedisst werde. Aber Pustekuchen!!! Wie ich vor kurzem herausfinden konnte, wird hier die EC/Visa Karte als Ausweismittel genutzt. Alle Norweger haben auf der Rückseite ein Foto von sich zusammen mit der “Sesam-öffne-dich-Nummer”. Als Ausländer bekommt man dies aber nicht, egal ob man die Nummer hat oder nicht. Ich fühle mich erneut leicht ausgegrenzt und bin nur noch halb so stolz auf mein Stück hart erarbeitetes Plastik.
Aber auch das Thema Sprache klebt mir wie Kaugummi an den Hacken. Kein anderes Thema bereitet mir auf der einen Seite so viel Kummer und auf der anderen Seite zu viele Lacher – und manchmal beides zusammen.
Und so muss ich leider das Thema “Norwegisch” noch einmal wieder zurück bringen. Ohne Frage – es wird langsam besser und nach knapp sieben Monaten sollte man seine Erwartungshaltung vielleicht nicht ganz so hoch hängen. Gut Ding will Weile haben. Das sage ich meinen Kollegen auch immer wieder, wenn ich einmal wieder in Zeitlupe spreche. “Kvalitet trenger tid! (Qualität braucht Zeit). Zur Mitarbeiterin der Woche hat es aber bereits gereicht. Begründung hierfür: Ich hätte enorm schnell sehr viel Norwegisch gelernt.
Aber dennoch ist es ein immerwährendes auf und ab. Und speziell diese Slapstick Momente, wo ich mir manchmal ein großes Loch im Erdboden wünsche, wo ich schnell reinhüpfen kann, um zu verschwinden, sind unbezahlbar.
So zum Beispiel wenn ich mir bei der Arbeit einen Tee in der Küche mache und plötzlich jemand reinkommt, den ich nicht kenne. Ich bin es – um ehrlich zu sein – mehr als Leid, immer wieder erklären zu müssen, dass ich das eben gesagte nicht verstehe. Und glaubt mir, es lohnt meistens nicht. Wenn ich z.B. die Aussage, dass die Kühlschranktür mal wieder klemmt, nicht verstehe, ist der Aufwand mich zu erklären größer als der Nutzen, den ich aus der Übersetzung erhalte. Und so habe ich in solchen Momenten meistens nur einen Gedanken: Bitte, sag nichts! Bitte, sag nichts!
Anmerkung: Dies ist Bestandteil des Singsangs in Norwegen: Betone die letzte Silbe übermäßig stark und geh am Ende des Satzes noch einmal stärker nach oben mit Betonung und Stimmlage. Was gerade traurigen oder ernsten Aussagen irgendwie die Bedeutung nimmt. Mir wurde vor kurzem übrigens gesagt, dass ich das relativ gut hinbekommen… für so nen Ausländer.
Aber schalten wir zurück in die Küche: Unverschämter Weise fing die Unbekannte doch an zu sprechen und das einzige, was ich in dem Satz verstanden hatte, war das Wort “Milchkanne”. Das kam mir aber sehr gelegen. Hab noch nie ne Milchkanne in der Küche gesehen und «ich weiß nicht» kann ich eins a auf Norwegisch sagen. Ich nuschelte also ein “Jeg vet ikke” zurück und verließ fluchtartig die Küche.
Es beruhigt mich etwas, dass ich jedenfalls nicht alleine bin. Auch mein Freund darf gewisse Momente zum Erinnern genießen. Wenn man seinen Mut an der Supermarktkasse zusammennimmt und auf norwegisch nach einer Tüte fragt. Bzw. denkt man das. Aber stattdessen schaut man in ein sehr verwundertes Gesicht, denn man hat den Kassierer gerade um eine Wurst gebeten. (Tüte: Pose | Wurst: Pølse)
Diese Momente gibt es tagtäglich. Manchmal mit stärkerer Ausprägung manchmal mit schwächerer Ausprägung, aber Gott sei Dank gibt es nicht jeden Tag Würstchen.
Vor kurzem hatte ich ein Meeting auswärts mit ein paar Kollegen. 9.00 Uhr sollte es losgehen. 8.59 Uhr stiefelte ich eilig zum Gebäude mit der festen Überzeugung, dass ich die letzte bin und es unhöflich ist, zu spät zu kommen. Das Expat Gedankenkino war im vollen Gange und ich überlegte mir bereits Formulierungen als Entschuldigung. Als ich in den Räumlichkeiten ankam und ein Norweger freudestrahlend auf mich zu kam, wurde mir klar: «Oh nein! Ich bin die Erste.« (typisch deutsch wahrscheinlich) und plötzlich wünschte ich mir, dass ich doch unhöflich zu spät gekommen wäre. Wieder einer dieser meiner persönlichen «Expat-Lieblingsmomente». Aber ich versuchte es dieses Mal. Ich rief nicht die englische Küstenwache sondern sprang Kopfüber ins Wasser mit den Schwimflügeln und hoffte meine blonde Tarnung gibt mir weiteren Schutz. Ich schüttelte artig die Hand, stellte mich auf Norwegisch vor und sagte am Ende: hyggelig! (Bedeutung: angenehm, nett, freut mich)
Hyggelig ist ein weiteres Lieblingswort der Norweger. Ausgesprochen wird es ungefähr wie Hüggeli und als ich es im Norskkurs lernte, war ich überzeugt, dass der Lehrer uns old school Norwegisch beibringt und kein Mensch wirklich hyggelig benutzt. Nun weiß ich es besser. Zusammen mit «ikke sant» kann man sich relativ lange in einer Unterhaltung durchschlagen, wenn man keinen Plan hat, worum es geht. Einfach abwechselnd beide Ausdrücke nutzen, ein wenig Jatmen und mmmmm—mmmmmen und die Sache ist geritzt.
Es ging dann weiter mit der Frage, ob ich Kaffee will. Nein, aber Tee wäre toll! So weit so gut. Innerlich stolz wie Oskar, hoffte ich, dass gleich die Tür aufgeht und einer meiner Kollegen kommt und mich erlöst. Das wäre so hyggelig!!! Aber natürlich war der Schicksalsgott an diesem Montagmorgen in Expat-Quäl-Laune. Ikke sant? Stattdessen folgte ein Satz, den ich beim besten Willen nicht verstehen konnte und ich musste mich geschlagen geben. Ich erklärte, dass ich Deutsche sei und mein Norwegisch noch nicht ganz auf der Höhe – aber ich tat dies auf Norwegisch – mmmmmm-mmmmmm!.
Zeitgleich tauchte eine neue Person im Raum auf und schüttelte mir «hyggelig» die Hand. Ich dachte - fälschlicher Weise - er hätte unsere Unterhaltung gehört und so stellte ich mich mit den Worten »Ich bin Mareike und Deutsche» vor. Dass ich Deutsche bin war eher als Hinweise gemeint, langsam zu sprechen. Aus dem Zusammenhang gerissen, ist dies eine – milde ausgedrückt – etwas komische Art und Weise sich vorzustellen.
Fand er auch und erwiderte: «Ich bin Johann… und Däne». Und glaubt mir, nicht nur dass mir im Norwegischen oft die richtige Vergangenheitsform fehlt, auch meine Schlagfertigkeit kann ich erfolglos suchen. Die ist wie Mareike anscheinend ziemlich deutsch.
Die Krönung folgte dann aber nach dem Meeting – was komplett auf Norwegisch abgehalten wurde. Der nette Herr beugte sich zu mir vor und wollte wissen, ob ich ihm folgen konnte während des Meetings. Auf Norwegisch klang das dann so: Fikk du meg da? (Lautschrift: Fi** dü mei da)
Bevor ich antworten kann, lief mir ein kleiner kalter Schauer über den Rücken. Das ständig jemand eine Email «fikk» (eine Email erhielt/bekam) - daran gewöhne ich mich langsam. Aber bei solchen Sätzen, fällt es mir wirklich schwer, die deutsche Bedeutung auszublenden. Es ist aber definitiv eins der Verben, wo ich die Vergangenheitsform nicht so schnell vergessen werde.
Norwegische Worte, die dem Deutschen vermeintlich sehr nahe sind, aber eine etwas andere Bedeutung haben, gibt es einige. Die sogenannten „false friends“. Aber auch viele Worte versteht man als deutscher direkt. Sie haben im Deutschen aber eine sehr spezielle bzw. einseitige Bedeutung. Wie zum Beispiel puste, hoppe und ledig. Im Deutschen ist dies atmen, springen und frei. So kann man als deutscher die Worte für sich gut ableiten, nur sollte man andersherum als Norweger vielleicht vorsichtig sein.
So fällt mir im Yoga Unterricht die richtige Atmung mit Sicherheit schwer vor Lachen, wenn der Lehrer mir erklärt, ich solle mal tief durch die Nase pusten. Oder dass der alte Weltrekord im „Weithoppen“ gebrochen wurde. Bleibt die Frage von wem? Bugs Bunny oder Rogger Rabbit? Auch verwunderlich, wenn man gefragt wird, ob der Stuhl noch „ledig“ ist. Gute Frage: Ich glaube schon oder ich war nicht zur Hochzeit eingeladen.
Ein paar meiner Lieblingsworte habe ich für euch einmal zusammengestellt.
Last but not least: Klemme: Mein absolutes Lieblingswort. Bedeutet umarmen und in meiner Vorstellungen umarmen sich die Norweger so doll und so lange, dass das Wort klemmen ebenfalls passen könnte.
Und mit einer großen Umarmung verabschiede ich mich dann heute auch!
STOR KLEM!!!!