Aber ich hätte es besser wissen müssen. Mir hätte eigentlich klar sein müssen, dass es doch nicht so einfach ist. Dass irgendwo doch ein Haken ist bzw. mein Bändchen nicht die richtige Farbe für den VIP Bereich hat.
Nach meinem Termin in der Bank, wo ich alle Dokumente unterzeichnen durfte, wiegte ich mich in Sicherheit. Scheinbar funktionierte alles. Ich konnte Online Banking nutzen und meine 0,00 NOK auf dem Bankkonto bewundern (was mehr war als ich teilweise zu Studentenzeiten auf dem Konto hatte) und bekam kurze Zeit später meine EC bzw. Kreditkarte per Post. (Vielleicht eine kleine Anmerkung hier: Das System von EC und Kreditkarte ist in vielen anderen Ländern anders als in Deutschland. Wie oft durfte ich mir zu Hause schon anhören, wie nutzlos doch die EC Karte sei und die Kreditkarte hätte das Wort „Kredit“ ebenfalls nicht verdient.) Mir fiel im ersten Moment bei der Karte auch nichts weiter auf und ich steckte sie recht schnell ins Portemonnaie, wo sie sich mit ein paar deutschen Plastikkarten in guter Gesellschaft befand.
Doch als ich das erste Mal Online bezahlen wollte, wurde ich stutzig. Etwas fehlte der Karte. Mein Name, das Banklogo und das VISA Zeichen waren drauf. Aber das wars dann auch schon. Es fehlte die lange Zahlenreihe, die man auswendig kann, wenn man eine hohe Affinität für Onlineversandhandel hegt. Da mein Freund Kunde der gleichen Bank ist, fragte ich zunächst ihn, wie man mit so einer Karte zahlen soll. Entgeistert schaute er erst die Karte und dann mich an. Das hatte er noch nie gesehen und plötzlich wirkte die deutsche EC Karte weitaus weniger nutzlos.
Mein guter Freund und Helfer in der Auswandernot „Google“ gab dann die Erklärung. Die hübsche Karte, die ich bekommen hatte, war für 13 bis 16 Jährige gedacht. Sie funktioniert nur in Geschäften und auch nicht in jedem. Online Shopping will man den Teenagern natürlich aus Sicherheitsgründen nicht ermöglichen und anscheinend auch nicht den Ausländern.
Ich war mir nicht ganz klar, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll, dass ich für so jung gehalten werde oder komplett verar….! Als ich dann zum gefühlt tausendsten Mal zur Bank marschierte und meine Kinderkarte vorzeigte, wurde mir erklärt, dass ich diese Karte bekommen habe, da ich als Ausländer erst einmal beweisen müsste, dass ich vertrauenswürdig bin. Dieser Satz kam ihr jedenfalls nicht so leicht über die Lippen und sie versuchte wirklich eine politisch-korrekte Ausdrucksweise zu nutzen, während sie verlegen lächelte.
Da mein Freund – ebenfalls so ein Ausländer – jedoch eine „Erwachsenenkreditkarte“ bekommen hatte und ihre Lösung „Nutz doch deine deutsche Kreditkarte beim Onlineshoppen“ sinnlos war, da der norwegische Onlinehandel überwiegend nur norwegische Kreditkarten akzeptiert (wir haben bereits viele leidvolle Erfahrungen hinter uns und ich vermute eine nordische Verschwörungstheorie dahinter), erbarmte sie sich aber schließlich und ich durfte die Kinderkarte gegen ein richtiges Zahlungsmittel eintauschen. Nun habe ich immer noch sechs Monate Probezeit und erst dann dürfte ich auch mal ein bisschen ins Minus – ganz traut man mir halt noch immer nicht. Lohnt sich dann wahrscheinlich aber umso meh r, da ich bis dahin die Zahlenreihe auswendig kann.
Ich frage mich, wie viele vor mir wohl schon die Kinderkarte bekommen haben oder sie nach mir bekommen werden und vergeblich die Zahlen auf dem Stück Plastik suchen.
Ein paar Tage später schaffte ich es dann noch gerade mit einem großen Sprung in den Fahrstuhl – wo auch besagter Arbeitskollege gerade gen Kantine fahren wollte. (Ihr wisst Bescheid: Morgens 11 Uhr in Norwegen!) Er streckte mir seine Hand entgegen, stellte sich noch einmal vor und fragte, ob er es richtig verstanden habe, dass ich aus Deutschland komme. Ich bejahte und hoffte, dass dies keine Fangfrage ist. Sein Gesicht erhellte sich leicht und mit einem Grinsen auf den Lippen sagte er: „Ich komm aus Australien und lebe seit vier Jahren in Norwegen. Sag Bescheid, wenn du mal genervt bist vom ganzen Norwegisch-Zirkus hier, dann kommst du einfach bei mir im Büro vorbei!“
Und obwohl zwischen Deutschland und Australien mehr als 16.000 Kilometer liegen, fühlte es sich plötzlich viel näher an. Denn man freut sich über jeden anderen Don Quijote.