So verwundert es mich auch nicht mehr, wenn an der Sicherheitskontrolle am Flughafen in Oslo alle Leute vor mir auf Englisch gefragt werden, ob sie Flüssigkeiten im Handgepäck hätten. Bin ich an der Reihe wird zu Norwegisch gewechselt. Selbst Leute, die mich täglich sehen, vergessen schnell, dass ich nicht hier geboren bin und fangen norwegische Unterhaltungen mit mir an. Sie blicken dann aber meist in zwar blaue aber riesengroße erschrockene Augen. Normalerweise folgt dann ein lautes Lachen und der Kommentar: Oh… excuse me! But you look so Norwegian. I keep forgetting you are „tysk“. Falls sie meinen erschrockenen Blick nicht erkennen, muss ich sie meist mit meinem Lieblingswort unterbrechen. Dieses Wort ist eigentlich so unscheinbar, hat aber seit meinem Umzug hierher eine viel größere Bedeutung. Und dieses kleine aber feine Wort ist: „Sorry?!“ Dieses Wort ist für mich das Ü-Ei der internationalen Verständigung hier in Oslo. Mit nur fünf Buchstaben kann man ausdrücken: I am sorry, I don’t speak your language. Could you repeat your sentence once more in English? Thank you. Und es funktioniert immer. Sobald das Wörtchen „Sorry“ fällt, wird zu Englisch geswitched. Was natürlich Segen und Fluch gleichermaßen ist. Wären die Englischkenntnisse hier etwas schlechter, wäre mein Norwegisch wahrscheinlich schon weitaus besser. Aber spricht man hier jemanden mit der Frage an, ob sie/er Englisch spricht, kommt zu 80% nicht etwa als Antworte „Yes, I do“, nein stattdessen kommt ein sehr überzeugtes „sure“. Und auch dieses „sure“ hat mehr untergründige Aussagekraft – genau wie mein Sorry.
Aber trotz meiner Chamäleonhaften Anpassungsfähigkeit an meine Umwelt, gab es eine lange Zeit einen großen Unterschied zwischen mir und den „anderen“ und dies war auch ein heißdiskutiertes Thema auf unserem „Klassentreffen“. Um ein vollständiges Mitglied dieser Gesellschaft zu sein, benötigt man eine Fodselsnummer oder jedenfalls eine D-Nummer. (Anmerkung: Eigentlich bedarf das "o" in Fodselsnummer noch einen kleinen Strich direkt durchs Bäuchlein. Das scheint dem System aber so weh zu tun, dass - warum auch immer - alles zum Absturz gebracht wird. Um meine Nerven zu schonen, stellen wir uns im weiteren Verlauf diesen kleinen Strich einfach vor. Ich hab da auch einfach mal was vorbereitet. Bedient euch: | | | | | |)
Als kurze Erklärung: Die Fodselsnummer ist so eine Art Steuernummer hier. In Deutschland gibt es nicht unbedingt etwas wirklich Vergleichbares. Diese Nummer ist quasi das „Sesam-öffne-Dich“ des Nordens. Ein paar Zahlen mit einer großen Bedeutung. Hinter der Felswand liegen nämlich dann Kranken- und Sozialversicherung, die Möglichkeit eines Bankkontos und vieles mehr. Teilweise braucht man seine Sesam-öffne-Dich-Nummer auch für recht banale Dinge wie Bücher in der Bibliothek ausleihen. Eine Mitschülerin brauchte die Nummer sogar, um sich in einem Portal auf einen Job bewerben zu können. Auf die (englische) Rückfrage, ob sie sich per Email bewerben könnte, da ihr die Nummer noch fehlte, als EU Bürgerin dies aber ja kein Problem sei, gab es eine schnell und schlichte Antwort. Sie können sich gerne wieder bewerben, wenn sie fließend Norwegisch spricht. Erstaunlich dass sie sich dafür dann doch den Aufwand eines vollständigen Satzes - so ganz fancy mit Subjekt, Prädikat und Objekt - gemacht haben, denn den Text zwischen den Zeilen, hätte man auch mit zwei Worten zusammenfassen können. Meine gute Erziehung verbietet mir hier jedoch die Nennung.
Wie oben erwähnt, läuft auch die komplette Krankenversicherung über diese Nummer. Was eine andere Mitschülerin, die Dank der Nummer hinter die Felswand blicken darf, wortwörtlich am eigenen Leibe erfahren durfte. Während der Blutabnahme – also als die Nadel im Arm steckte – versicherte sich die Sprechstundenhilfe noch einmal, ob sie denn wirklich eine Foedselsnummer hätte. Ich hätte zu gerne ihre Reaktion gesehen, wenn die Antwort „nein“ gewesen wäre.
Eine D-Nummer ist dann quasi eine Übergangslösung der Fodselnummer. Sie wird nur temporär vergeben. Für mich dennoch Grund genug, einen kleinen Freudentanz in der Wohnung zu vollführen, als mich die frohe Kunde erreichte. Beantragt hatte ich das gute Stück, um weiterhin Yoga unterrichten zu können. Nicht mehr ganz so in Tanzlaune war ich aber, als ich dann in der Bank feststellte, dass ich außerdem eine polizeiliche Registrierung brauchte, wenn ich ein Konto haben möchte. Diese Resgistrierung bekomme ich aber nur, wenn ich nachweisen kann, dass ich mit dem Unterrichten Geld verdiene – am besten in Form von Geldeingängen auf meinem…. Trommelwirbel… Bankkonto. Der nette junge Mann sah sogar ein, dass hier ein sehr großes „Henne – Ei“ Problem vorliegt und die Katze sich so sehr in den Schwanz beißt, dass sie fast erstickt. Aber das seien die Vorgaben. Das gute ist, wenn man bereits durch die Behördendschungel in Deutschland geschleift wurde und sich dann durch die Unterschiede in einem fremden Land kämpfen musste, stumpft man irgendwann ab. Ich würde gerne lieber sagen, man wird stärker, aber in dem Moment vor dem Schalter habe ich innerlich einfach nur kapituliert – aber mit dem Wissen im Hinterkopf, dass ich in ein paar Wochen eh einen festen Job haben werde und Ali Baba mich dann quasi höchstpersönlich zur Sesam-Party einladen wird.