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Warum kompliziert, wenn's auch einfach geht?

15/12/2016

1 Kommentar

 
Das Jahr nähert sich langsam dem Ende und hoffentlich etwas schneller meine Schwangerschaft (39 + 3 und ich zähle jede Minute). Den heiligen Gral des Mutterschutzes habe ich seit etwas über zwei Wochen erreicht und ich muss zugeben, es wurde auch Zeit.

In Norwegen sind drei Wochen Mutterschutz vor Termin normal - wobei man sagen muss, dass viele Frauen auch vorher krankgeschrieben werden. Gearbeitet habe ich bis zum Ende – auf den letzten Metern dann aber «nur» noch zu 80%. Mit offizieller Krankschreibung vom Arzt gleicht das Arbeitsamt (NAV) die Stunden aus, sodass kein Lohnausfall entsteht.


Dennoch fand ich die letzten Tage im Büro mit dickem Bauch wirklich anstrengend. Drei Wochen fühlen sich dann nach nicht sehr viel an.


Kurz bevor ich die Zielgerade des Mutterschutzes erreicht hatte, kam das Thema Elternzeit und die beiden Varianten von 80% Bezahlung für 59 Wochen oder 100% für 49 Wochen bei uns noch einmal auf den Tisch. Eigentlich hatten wir uns auf die 80% Variante geeignet, da wir gerne die längst mögliche Zeit mit dem kleinen König von Norwegen verbringen möchten.

Als wir die beiden Szenarien dann aber einmal hinsichtlich der Gesamtauszahlung verglichen (mein Element: Tabellen, Übersichten und Co....hmmmmm) fiel uns auf, dass selbst wenn wir unbezahlten Urlaub nehmen, um auf 59 Wochen zu kommen, die 100% Variante lukrativer war.

Der Haken an der Sache: Ich hatte doch schon alle Unterlagen eingereicht – sowohl beim norwegischen Arbeitsamt (NAV) als auch bei meiner Arbeit. Alles war genehmigt und abgeschlossen. Jetzt – eine Woche vor dem offiziellen Beginn des Mutterschutzes alles zu ändern – mir schwante Böses.

Vielleicht bin ich durch das letzte Jahr und den Stress mit dem deutschen Arbeitsamt sowie dem Formular PD U2 ein gebranntes Kind und ging zu negativ an die Sache heran. Aber die Aussicht jetzt wieder irgendwelche Behördengänge zu unternehmen und zu erfragen, ob man nicht einfach kurz vorher alles noch einmal ändern kann, war so ansprechend wie das Geländer einer öffentlichen Rolltreppe abzulecken.


Aber nun gut – die Verlockung des Geldes überwog dann doch und so wagte ich mich am nächsten morgen an das Thema.

Mein guter Freund auf den Seiten von NAV ist der Online Chat. Hier kann ich jedenfalls keine genervten Untertöne hören, wenn meine Startfrage ist: Kan jeg snakke på engelsk? (Kann ich Englisch sprechen?)


Während ich also beim Frühstück saß und herzhaft in mein Brötchen aus der guten Backstube Norway (gegründet von Deutschen in diesem Sommer und ratet wer Stammgast ist!) baß, chattete ich mit Lene und erklärte ihr kurz den Sachverhalt.

Sie antwortete recht zügig, dass wir die Auszahlung gerne auf 100% ändern können und sendete mir einen Link, wo ich mein Anliegen einmal eintragen sollte und dann an NAV senden könnte. Herrlich!

Ich klickte auf den Link, hinter dem sich ein super simples Eingabefeld verbarg, wo ich schnell unser Anliegen skizzierte.


24h Stunden später erhielt ich eine Nachricht per Email, dass mein Antrag an meinen Sachbearbeiter weitergeleitet wurde. Ich konnte mein Glück nicht glauben.

In Deutschland hätte ich dafür wahrscheinlich zig Formblätter ausfüllen und mit
fünf verschiedenen Ansprechpartner sprechen müssen, bei denen man sich latent fragt, ob sie einfach nur ihren Job hassen oder Menschen prinzipiell – wahlweise vielleicht auch beides.


Wenige Tage danach erhielt ich eine SMS von NAV, dass mein Deckungsgrad geändert wurde, die Bestätigung bekäme ich zeitnah mit der Post. Schmunzelnd saß ich vor meinem Handy. Eine SMS vom Arbeitsamt, in der mir eine offizielle Zahlungsänderung bestätigt wurde, irgendwie unvorstellbar in Deutschland.
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Allen in allem hatte es mich weniger als 30 Minuten gekostet, den Prozentsatz zu ändern. Ich musste weder das Haus verlassen (mit dicker Kugel eine enorme Erleichterung), noch bei irgendwelchen Hotlines anrufen.

Wenn wir irgendwann wieder zurück nach Deutschland gehen, wird der Kulturschock für mich, wenn es um diese Sachen geht, wahrscheinlich sehr groß sein. Am besten gehe ich nach jedem Amtstermin in Deutschland einmal in den Supermarkt und bewundere die Preise und die Auswahl, um mich wieder zu besänftigen.

Vielleicht ist das System auch so einfach, weil es auch eher dem Naturell des Norwegers entspricht. Eine SMS und ein Online Chat bedeuten für die andere Seite ja auch weniger Kontakt mit Menschen. Vielleicht ist es am Ende also einfach eine Win-Win Situation für beide Parteien.

Ansonsten waren die letzten Wochen der Schwangerschaft mit sehr viel Vorbereitungen verbunden und auch mit einigen Ausgaben – die erste Babyausstattung stand an. Ähnlich wie die Käsetheke ist auch die Auswahl an Kinderwagenmarken in Norwegen recht gering.

So sehr ich die Naturverbundenheit, den Sinn für Familie, Work-Life-Balance und die Einfachheit vieler Dinge in Norwegen wirklich ungemein schätze, so sehr ärgere ich mich häufig aber auch über den Markenwahn hier, wenn es um Handys, Kleidung, Elektrogeräte, Outdoorequipment und – wie ich lernen durfte - auch Kinderwagen bzw. Kinderausstattung allgemein geht. Höher, schneller weiter. Es muss irgendwie (fast) immer das Beste vom Besten sein.

Wer mich kennt, weiss wie unwichtig mir Statussymbole sind und ich in Sachen neuster Technik immer hinterher hinke, da mein Handy, MP3-Player oder ähnliches doch noch funktioniert.


Hier in Oslo hatten wir hinsichtlich Kinderwagen überwiegend die Auswahl zwischen Porsche, Ferrari und Rolls Royce. Dazwischen gesellte sich dann mal ein Volkswagen. Opel oder Kia? Fehlanzeige. Irgendwie gabs nur teuer oder ein paar wenige Modelle aus der Mittelklasse. Wer wirklich Geld sparen will, kauft gebraucht oder im Ausland.

Bevor wir überhaupt einen Fuß über die Schwelle des Geschäfts setzten, hatten wir bereits unsere Schmerzgrenze hinsichtlich Kinderwagenpreise besprochen und merkten im Laden recht schnell, dass damit 70% des Angebots wegfiel.

Versuchen wir es positiv zu sehen. Weniger Auswahl macht die Entscheidung hoffentlich einfacher.


Zaghaft rollte ich den «Volkswagen» durch den Laden und fragte mich, ob ich bereits jetzt eine Rabenmutter sei. Ohne Kinderwagen, dafür mit Bedenkzeit verließen wir das Geschäft und trabten heim. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich starrte die Frauen und Männer mit Kinderwagen in den Straßen an und merkte erst jetzt mit dem neuen Kinderaustattungsfachwissen, dass wirklich ein Großteil der Leute ihre Kinder in den Edelkarosserien umherschoben.


Zu Hause begann dann der Online Vergleich, andere deutsche Muttis wohnhaft in Oslo wurden auf Facebook befragt (die mich nur zu gut verstehen konnten… puuh… also vielleicht doch keine Rabenmutter) und es wurde geschaut, was der deutsche Markt zu bieten hat. Babyläden in Kiel sind anscheinend schon geschult für Eltern aus Oslo, die für einen Kurzbesuch auf der Fähre vorbeikommen und dann auf dem Rückweg einen Kinderwagen mitnehmen.

Nach viel hin und her entschieden wir uns am Ende aber für den Volkswagen aus dem norwegischen Babygeschäft. Der Aufwand aus Deutschland zu bestellen, lohnte nicht im Vergleich zu Kostenersparnis. Sollte dann mal etwas kaputt sein, müssten wir uns wieder überlegen, wie man Ersatzteile nach Norwegen bekommt.

Ich versuchte es einfach wieder positiv zu sehen.
Da ich weder iPhone, noch top Outdoorequipment oder sonnengebräunten Teint aus der Tube im tiefsten Winter habe, komplementiert der Kinderwagen vielleicht mein "durchschnittliches" Erscheinungsbild.


Das gesparte Geld wird dann einfach später für etwas sinnvolleres genutzt, wie zum Beispiel Therapiesitzungen aufgrund schwerer psychischer Schäden durch die Wahl der falschen Kinderwagenmarke – gerade die ersten Monate sollen ja sehr prägend sein.

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1 Kommentar
Torben
19/12/2016 15:40:03

Das kommt mir so bekannt vor. Also die Auswahl des richtigen Kinderwagens mit Blick nach links & rechts auf die "anderen"

Beim zweiten Kind war es dann doch der Gebrauchte. Nach dem ersten ist man da eher entspannter. *Wink-mit-dem-Zaunpfahl"

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    "Es ist nicht unbedingt schlecht, wenn dein Leben auf dem Kopf steht. Das ist wie bei Shampoo Flaschen: Manchmal kommt dann einfach mehr heraus!" Dies habe ich wörtlich genommen und mein bisheriges Leben einfach einmal umgedreht.
    Gemeinsam mit meinem Freund geht es von Hamburg noch weiter in den Norden und zwar nach Oslo. Wie es uns hierbei ergeht, werde ich auf diesen Seiten erzählen.

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